Release May 3, 2024
EAN/UPC: 705304472323
Traumton CD: 4723
Lineup
Olga Reznichenko: piano Lorenz Heigenhuber: doublebass Maximilian Stadtfeld: drums
All titles published by Traumton Musikverlag
Recorded Feburary 2023 by Johannes Kellig at Bauer Studios, Ludwigsburg
Mixed & mastered by Martin Ruch at Control Room, Berlin
Design and artwork by Travassos
Photo by Stefan Braunbarth
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Info / Info english
Olga Reznichenko Trio – Rhythm Dissection
Im Mai 2022 erschien Somnambule, das Debütalbum des Olga Reznichenko Trio, bald darauf konnte sich die in Leipzig ansässige junge Band über hervorragende Resonanz in den Medien freuen. Rondo lobte ihr „feines Gespür für ungewöhnliche Songentwicklungen“, Concerto hielt fest: „Reznichenko greift wuchtig und temporeich in die Tasten und das wirkt wohltuend. […] Für Spannung ist gesorgt, selbst wenn sie ihren klassischen Background, wie bei ‚Slipping Pace Returnig Time‘ mit einbezieht.“ Bei WDR3 zählte Somnambule zu den besten deutschen Jazzalben 2022: „Sie überwältigt auf ihrem Debütalbum mit einer Fülle an melodischen Einfällen, die sie in nicht enden wollenden Wendungen immer weiter fortspinnt.“
Das Repertoire von Somnambule ging von imaginären Traumsequenzen aus, die Stücke auf Rhythm Dissection sind dagegen von realen Erlebnissen und – vor allem – von musikalischen Ideen inspiriert. „Rhythmisch und auch harmonisch ist das neue Album viel komplexer als unser Debüt“, erklärt Reznichenko, „der Fokus liegt mehr auf Improvisation, in vielen Formen gibt es eine stärkere Verbindung zum Jazz. Dabei betrachte ich Improvisationen als Teil der Komposition, sie sind also nicht völlig frei, sondern verstehen sich als Erweiterung der Motive.“
Ein weiterer essenzieller Aspekt sind ungerade Metren, für die sich Reznichenko schon länger begeistert. Zu hören ist das bereits auf dem Debütalbum, etwa bei „Final Mirrors“ in 11/8. Im aktuellen Repertoire, das überwiegend 2022 entstanden ist, wechseln die „krummen“ Takte beinahe ständig. Auch innerhalb der Stücke, die gleichwohl sehr lebendig, souverän und unprätentiös wirken. „Wie es scheint, ist ein 5/4 mein natürlicher Flow, das Metrum erscheint in vielen meiner Improvisationen“, lacht die 1989 geborene Musikerin, die im Januar 2023 ihren Master-Abschluss an der Leipziger Hochschule absolviert hat.
Reznichenkos Kompositionen sind wohl durchdacht, aber auch stets warmherzig. Tatsächlich basieren einige Stücke im Kern auf purer Intuition, beispielsweise „Elegie“. „Das Thema habe ich zunächst improvisiert und für mich zuhause aufgenommen. Erst beim Transkribieren fiel mir auf, dass sich das Metrum ständig ändert.“ Zunächst hätte sie versucht, das Stück in einen 4/4-Takt zu bringen, mit unbefriedigendem Ergebnis. Die Konsequenz war, im Trio gemeinsam eine freie Form zu kreieren. Obwohl Reznichenko häufig sehr klar in ihren Kompositionen ist, bleibe stets Raum für Ideen und Impulse ihrer beiden Musiker Max Stadtfeld und Lorenz Heigenhuber, sagt sie. So entwickelten sich einige Facetten der Stücke in Interaktionen.
Mit den besagten Rhythmusvariationen gehen überraschende Wechsel von Tempi und Stimmungen einher. Der Aufmacher „A Ballad For A Cowboy Who Is Yet To Find Out About Fear“ gibt die Richtung vor. Einem lockend-melodischen Thema folgt eine wuchtig-dynamische Passage, die Nervosität, Beklemmung oder gar Bedrohliches suggeriert; in der daraus erwachsenden Improvisation verflüchtigen sich aber die meisten dunklen Wolken wieder. Das Mäandern von eingängigen Motiven zu abstrakteren, aber nie vollends aus der Form tretenden Expressionen zieht sich durch viele Stücke. Ebenso wie Max Stadtfelds extrem agile, teils rockig-druckvolle Schlagzeug-Unterstützung, mit der er sich mehr denn je als gleichberechtigte Stimme im Trio etabliert. Heigenhubers subtiler Kontrabass sorgt je nach Bedarf für Grundierung oder weiteren Auftrieb im teils wunderbar transparenten (vergl. „Solaris“, „Old Feeling“), teils hochverdichteten Zusammenspiel. Der dramaturgische Bogen des Albums trägt soghafte Züge, er gipfelt im Stück „Trampelpfad“ mit seiner insistierenden Stakkato-Ästhetik und verschobenen Rhythmik sowie im überschäumenden finalen Titelstück, das im positiven Sinn aufstachelt.
„Ich mag gerne laute Musik“, grinst Olga Reznichenko und nennt als Beispiel die Metal-Band Pantera. Das Spektrum ihrer Inspirationsquellen reicht ansonsten von Noise Rock über Avantgarde und Free Jazz bis zur Klassik, mit der sie ihre ersten Jahre am Klavier zugebracht hat. Speziell die Spätromantiker und Impressionisten haben es ihr angetan, ebenso Ligetis und Xenakis‘ Klavierwerke, außerdem „vom Klang her“ Kompositionen des Spektralmusik-Vertreters Georg Friedrich Haas.
Neben solchen Einflüssen, die sich zum allergrößten Teil allenfalls in Nuancen ausmachen lassen, wurden manche Stücke Reznichenkos von Eindrücken abseits der Musik geprägt. „Zu ‚Salty Drunk Fish‘ hatte ich eine Improv-Skizze, größtenteils habe ich das Stück aber auf Sardinien geschrieben“, erzählt sie. „Solaris“ ist, wie der Titel ahnen lässt, unter dem Eindruck von Andrei Tarkowskis Spielfilm nach dem Roman von Stanislaw Lem entstanden. „Ich habe den Film mehrfach angesehen und die Atmosphäre genossen, besonders weil man nach einer Weile nichts mehr an Action erwartet. Für das Stück wollte ich genau diese Ästhetik umsetzen.“
Insgesamt würden sie heute vehementer, teils auch wilder spielen als vor vier Jahren, findet Reznichenko. Fast alle Stücke des Albums wurden vor dem Studiotermin im Februar 2023 in Konzerten er- und geprobt, lediglich das vergleichsweise einfache „Old Feeling“ mit seinem nahezu durchgehenden 6/8-Groove kam erst kurz vor den Aufnahmen dazu. „Nach zwei Tagen hatten wir viele richtig gute Takes, darunter gab es einige Momente, in die ich sofort verliebt war“, lässt Reznichenko die Konzentration und Intensität im Bauer Studio Ludwigsburg erkennen. „Es war auch eine schöne Erfahrung, auf diesem Steinway D von 1920 zu spielen, an dem schon so viele berühmte Pianisten saßen.“
Diese Spielfreude offenbart sich nun auch dem Publikum. Viele Passagen auf Rhythm Dissection wirken energiegeladen oder gar euphorisch. Das profunde Können des Trios und Olga Reznichenkos klarer Gestaltungswille, das lustvolle Spiel mit rhythmischer Raffinesse und weiten Bögen, Klangfarben und Stimmungen zeichnen das Album aus. Und sie untermauern den von BR Klassik anlässlich Somnambule festgestellten herausragenden Status der Band in der aktuellen Jazz-Szene. Der Sender lobte die „avancierte, harmonisch und rhythmisch anspruchsvolle Musik“ und konstatierte: „Mit ihrem Debütalbum als Bandleaderin kann sich Olga Reznichenko […] nicht nur behaupten, sondern auch schon herausragen.“
Olga Reznichenko Trio – Rhythm Dissection (english)
In May 2022 Somnambule, the debut album of Olga Reznichenko’s trio, was released and the young Leipzig-based band enjoyed an outstanding feedback from the media. Rondo praised their “refined sense for unusual song developments,” Concerto wrote: “Reznichenko’s piano playing is powerful and fast-paced, and that is very enjoyable. […] Suspense is guaranteed, even in passages where she incorporates her Classical background, like in ‘Slipping Pace Returning Time.’” On WDR3, Somnambule was one of the best German jazz albums of 2022: “On her debut album, she impresses with an abundance of melodic ideas that she continues to develop in never-ending twists and turns.” The jazz talk show on BR Klassik radio applauded the “sophisticated, harmonically and rhythmically challenging music” and stated: “With her debut album as a bandleader, Olga Reznichenko […] can not only establish herself, but even stand out.”
The repertoire of Somnambule was based on imaginary dream sequences, whereas the pieces on Rhythm Dissection are inspired by real experiences and above all, by musical ideas. “Rhythmically and also harmonically, the new album is much more complex than our debut,” Reznichenko explains, “the focus is more on improvisation, in many forms there is a stronger connection to jazz. I see the improvisations as part of the composition, so they are not completely free, but rather an expansion of the motifs.”
Another essential aspect are odd meters, which Reznichenko has always enjoyed. This can already be heard on the debut album, for instance in “Final Mirrors” in 11/8. In the current repertoire, most of which was written in 2022, the „crooked“ bars change almost constantly – even within the pieces, which come across as very lively, effortless and unpretentious nonetheless. “It seems that 5/4 is my natural flow, the meter appears in many of my improvisations,” laughs the musician, who was born in 1989 and completed her Master’s degree at the University of Music Leipzig in January 2023.
Reznichenko’s compositions are carefully thought out, but are also always heartfelt. As a matter of fact, some pieces are based on pure intuition, for example “Elegie”. “The theme was initially an improvisation that I recorded at home. I only realised when I transcribed it that the meter was constantly changing.” At first, she tried to fit the piece into 4/4 time, with unsatisfactory results. The consequence was to create a free form together. Even though Reznichenko is often very clear in her compositions, she says there is always space for ideas and impulses from her two musicians. In this way, some facets of the pieces were developed in interactions.
The aforementioned rhythmic variations create surprising changes of tempo and mood. The opener “A Ballad For A Cowboy Who Is Yet To Find Out About Fear” sets the tone. An enticingly melodic theme is followed by a forceful, dynamic passage that suggests nervousness, anxiety or even menace; but in the emerging improvisation most of these dark clouds vanish again. The meandering from catchy motifs to more abstract, but never completely out of form expressions is recurrent in many pieces. Just like Max Stadtfeld’s extremely agile, sometimes rocky and forceful drum accompaniment, with which he establishes himself more than ever as an equal voice within the trio. Heigenhuber’s subtle double bass provides a foundation or further momentum depending on what is needed in the sometimes wonderfully transparent (like “Solaris” or “Old Feeling”) and at other times highly dense interplay. The dramaturgical arc of the album certainly has an absorbing quality, culminating in “Trampelpfad” [“Beaten Path“] with its insistent staccato aesthetics and offset rhythms as well as in the exuberant final title piece, which is inciting in the most positive sense.
“I like loud music,” grins Olga Reznichenko, mentioning the metal band Pantera as an example. Other than that, her sources of inspiration range from noise rock, avant-garde and free jazz to classical music, with which she spent her first years at the piano. She is particularly fond of the late Romantics and Impressionists, as well as Ligeti and Xenakis piano works, and also compositions by the spectral music pioneer Georg Friedrich Haas (*1953). In addition to such influences, which for the most part can only be identified in subtle nuances, some of Reznichenko’s pieces were shaped by impressions outside of music. “For ‘Salty Drunk Fish’ I had an improv draft, but I wrote most of the piece in Sardinia,” she says. As the title suggests, “Solaris” was inspired by Andrei Tarkovsky’s feature film based on the novel by Stanislaw Lem. “I watched the movie several times and enjoyed the atmosphere, especially because after a while you don’t expect any more action. I wanted to achieve exactly that aesthetic for the piece.”
Rezinchenko believes that her trio is now playing more vehemently and sometimes more wildly than four years ago. Almost all the pieces on the album were rehearsed and tested in live shows before the studio session in February 2023; only the comparatively simple “Old Feeling” with its almost unbroken 6/8 groove was added shortly before recording. “After two days, we had a lot of really good takes, including some moments that I immediately fell in love with,” says Reznichenko, reflecting on the concentration and intensity at Bauer Studio Ludwigsburg. „It was also a wonderful experience to play on this Steinway D from 1920, which has been played by so many famous pianists.”
The joy of playing is now also revealed to the audience. Many passages on Rhythm Dissection feel energetic or even euphoric. The profound skills of the trio and Olga Reznichenko’s clear creative will, the joyful play with rhythmic finesse and expansive melodic arcs, timbres and moods make the album a great pleasure to listen to. And it reinforces the band’s by BR radio entitled “outstanding” status in the current jazz scene.