Release March 28, 2014
EAN/UPC: 705304460627
Traumton CD: 4606
Lineup
Veronika Harcsa: vocals Bálint Gyémánt: guitar
Info / Info english
Veronica Harcsa & Bálint Gyémánt – Lifelover
Klarheit ist ein seltenes Gut im Jazz. So selten, dass es sofort auffällt, wenn eine Künstlerin den Mut zu absoluter Transparenz aufbringt. Veronika Harcsa ist eine ungarische Sängerin und Songschreiberin, deren größte Stärke gerade in dieser Klarheit liegt, die auf der Stelle verzaubert und gefangen nimmt. Sie erreicht den Hörer ohne Umwege, kommt ohne Mystizismen aus, ihre Stimme kennt nur den direkten Weg aus der Seele ins Ohr. Ihre unverwechselbare Kombination aus Timbre, Struktur und Ansprache läuft immer wieder auf dieses seltene Eine hinaus: Klarheit.
Das Setting auf „Lifelover“ ist sehr einfach. Veronika Harcsa singt, Bálint Gyémánt spielt akustische Gitarre. Hier und da wird ein wenig geloopt und mit zusätzlichen Spuren gearbeitet, fertig. Auch über die klangliche Zuordnung hinaus sind die Rollen klar verteilt. Veronika Harcsa ist für die weiche, emotionale Ebene zuständig, Bálint Gyémánt übernimmt den abstrakten, kühleren Part. Und doch durchdringen sich die Intentionen beider Musiker derart, dass sie zu einer einzigen künstlerischen Persönlichkeit zu verwachsen scheinen. Der Zufall steht der Klarheit des Konzeptes der beiden Magyaren nie im Weg. „Wir haben lange daran gearbeitet, wie wir unseren Sound über ein Konzert von 90 Minuten oder ein Album von 50 Minuten interessant machen können“, erklärt Veronika Harcsa dazu. „Uns steht ja nichts zur Verfügung als die Stimme und die Gitarre. Wie weit können wir mit diesen Möglichkeiten gehen? Manchmal haben wir ganz vorsichtig mit Overdubs gearbeitet, aber meistens entschieden wir uns für das Gegenteil, nämlich unsere Songs zu entrümpeln und so wenig wie möglich zu spielen. Wir haben sowohl versucht, den Sound zu maximieren als auch ihn zu reduzieren, um es so klar wie möglich zu gestalten.“
Obwohl noch jung an Jahren, präsentiert die Sängerin mit „Lifelover“ nicht ihre erste CD. Die Reise, die sie persönlich bis zu diesem Punkt zurücklegte, war intensiv und von vielen Entscheidungen und Weichenstellungen begleitet. Schon als Kind beschäftigte sie sich mit Musik, lernte anfangs Saxofon und kam mit Jazz in Berührung. Nach dem Abitur studierte sie aber zunächst Mathematik. Dann begann sie sich für klassische Jazz-Sängerinnen wie Ella Fitzgerald oder Carmen McRae zu begeistern und wollte einfach mal selbst probieren, Standards zu singen. Mit 21 überkam sie das Gefühl, eine Entscheidung treffen zu müssen, und so wechselte sie zur Jazzabteilung der Musikakademie in Budapest. Seitdem steckt sie ihre ganze Energie in die Erweiterung der expressiven Möglichkeiten ihrer Stimme.
Auf ihrer ersten CD begnügte sich Veronika Harcsa noch mit Standards, über vier weitere Alben erarbeitete sie sich ein sehr eigenständiges Repertoire. Sich selbst und ihren Kompagnon bezeichnet die Ungarin gern als „concious musicians“, die viel über ihre Kunst denken und reden. Gerade ihr Bezug zur Naturwissenschaft ist ihr behilflich, sich immer wieder zu besagter Klarheit zu bekennen und maßvoll mit Tönen oder Worten umzugehen. Maßlosigkeit, Exhibitionismus odr jede Form von musikalischer Prahlerei gehen ihr völlig ab. Für Veronika Harcsa ist das die natürlichste Sache der Welt. „Schon während meines Studium war ich von vielen Menschen umgeben, die sich gleichzeitig mit Mathematik und Musik beschäftigten. Offenbar gibt es da eine starke Verbindung. Beides basiert auf Strukturen. Durch die Mathematik lernte ich, strukturell zu denken. Auch wenn ich improvisiere, denke ich ganz klar in Strukturen.“
Veronika Harcsa möchte ihre Musik nicht gern kategorisiert wissen. Die Harmonien und Improvisationen legen eine gewisse Nähe zur Jazz-Herkunft nahe, aber sie hat auch eine starke Beziehung zu Pop, experimentellen Sängerinnen wie Meredith Monk oder Sidsel Endresen oder der modernen Klassik von Charles Ives bis Morton Feldman. All diese Einflüsse verdichten sich in ihren Liedern zu einer genuinen Einheit, die jede einzelne Quelle für sich vergessen macht.
Veronika Harcsa und Bálint Gyémánt verbindet nicht nur die Arbeit im Duo, das auf „Lifelover“ zu hören ist, sondern auch die Band Bin-Jip, in der sie gemeinsam mit Andrew J experimentelle elektronische Musik produzieren. Bin-Jip steht zwar einerseits im extremen Gegensatz zu dem rein akustischen Duo der beiden Ungarn, und doch gibt es auch Gemeinsamkeiten. „Ich lerne viel von elektronischer Musik, weil ich ihren monotonen Zugang mag“, bekennt die Sängerin. „Ich mag auch die vielen Effekte, die in der elektronischen Musik genutzt werden, und damit meine ich nicht einmal vordergründig Sachen wie Reverb und Delay. Mich faszinieren mehr diese einzigartigen Sounds, die in keiner erkennbaren Beziehung zu irgendeinem akustischen Instrument stehen oder den Klang akustischer Instrumente extrem verfremden. Obwohl unser Duo komplett akustisch ist, benutzen wir Loops, aber auch diese basieren auf akustischen Sounds. Unsere Faszination für interessante Klänge kommt auf jeden Fall von unserer elektronischen Seite.“
„Lifelover“ ist ein Album voller Überraschungen. In jedem Song werden neue Verabredungen zwischen den Klängen, Intentionen, Abstraktions- und Dichtegraden getroffen. Der Hörer kann sich fallenlassen. Verschnaufpausen gibt es für ihn trotzdem nicht, denn die emotionale Assoziationsfähigkeit wird genauso angesprochen wie die intellektuelle Aufmerksamkeit. Harcsa und Gyémánt spielen unentwegt miteinander, so dass sie sich ständig weiterentwickeln und auch „Lifelover“ nur ein Zwischenstopp ist. Doch was kann es Spannenderes geben, als an der kontinuierlichen Metamorphose zweier Künstler zwischen klarem Plan und kühner Vision teilzuhaben?
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Veronica Harcsa & Bálint Gyémánt – Lifelover (english)
Clarity is a rare asset in jazz. So rare, that it attracts attention straightaway, when an artist has the courage to have absolute transparency. Veronika Harcsa is a Hungarian singer and songwriter, whose greatest strength lies exactly in this clarity, which enchants and bedazzles instantly. She reaches the listener without any detours, gets by without any mysticisms and her voice knows only the most direct way from the soul into the ear. Her unmistakable combination of timbre, structure and responsiveness consistently result in this rare trait: clarity.
The setting on “Lifelover” is very simple. Veronika Harcsa sings, Bálint Gyémánt plays acoustic guitar. Here and there they loop some things and work with additional tracks; done! Also beyond the tonal attribution the roles are clearly defined. Veronika Harcsa is responsible for the tender, emotional level. Bálint Gyémánt assumes the abstract, cooler part. And still the intentions of the two musicians interfuse to such an extent, that they seem to merge to a single artistic personality. Chance never stands in the way of the clarity of the concept of the two Magyars. “We have worked extensively on how we can make our sound interesting throughout a concert of 90 minutes or for a whole album of 50 minutes”, Veronika Harcsa explains. “We have nothing available besides voice and guitar. How far can we go with these means? Sometimes we have worked with overdubs very carefully, but usually we decided on the opposite, namely cleaning up our songs and playing as little as possible. We have tried maximizing the sound as well as reducing it, to shape it as clear as possible.”
Although she is still young, “Lifelover” is not the fist album the singer is presenting. The journey that has brought her to this point was intensive and accompanied by many decisions and junctions in her path. As a child she was already engaged in music, initially learned the saxophone and came into contact with jazz. But after graduating from high school she studied mathematics at first. Then she began to get into classic jazz singers like Ella Fitzgerald or Carmen McRae and just wanted to try singing some standards herself. At the age of 21 she was assailed by the feeling that she had to come to a decision and so she switched to the jazz department of the music academy in Budapest. Ever since, she puts all of her energy into the expansion of the expressive possibilities of her voice.
On her first CD, Veronika Harcsa still contented herself with singing standards, but throughout four more albums she has acquired a very original, independent repertoire. The Hungarian likes calling herself and her companion “conscious musicians”, who think and talk a lot about their art. Precisely her connection to natural science helps her to profess the above noted clarity again and again and to modestly handle sounds and words. Exorbitance, exhibitionism or any form of musical boasting are non-existent in her music. For Veronika Harcsa it is the most natural thing in the world. “During my studies I was already surrounded by many people, who were engaged in mathematics and music simultaneously. Apparently there is a strong connection there. Both are based on structures. Through mathematics I learned to think structurally. Even when I improvise I definitely think in structures.”
Veronika Harcsa doesn’t like her music to be categorized. The harmonies and improvisations suggest a certain proximity to jazz-ancestry, but she also has a strong correlation to pop, to experimental singers like Meredith Monk or Sidsel Endresen or to modern classical music from Charles Ives to Morton Feldman. All of these influences condense in her songs to a genuine unity, which makes you forget each individual source.
Not only their work as a duo, heard on “Lifelover”, connects Veronika Harcsa and Bálint Gyémánt, but also the band Bin-Jip, where they produce experimental electronic music together with Andrew J. Although Bin-Jip, on the one hand, is in stark contrast to the purely acoustic duo of the two Hungarians, there are still some similarities. “I learn a lot from electronic music, because I like its monotonous approach,” the singer states. “I also like the many effects, that are used in electronic music, and by that I don’t even mean the prominent things like reverb and delay. I’m fascinated by those unique sounds, that have no recognizable relation to any acoustic instrument or that extremely alienate the sound of acoustic instruments. Even though our duo is completely acoustic, we use loops, but these too are based on acoustic sounds. Our fascination for interesting sounds definitely comes from our electronic side.”
The album “Lifelover” is full of surprises. In every song, new commitments are made among the sounds, intentions, levels of abstraction and denseness. The listener can let himself go. There are no breathers for him however, because intellectual attention is called upon just as strongly as emotional association. Harcsa and Gyémánt unswervingly play together, so that they constantly further develop and “Lifelover” is only a stopover. But what can be more exciting than to partake in the continuous metamorphosis of two artists betwixt clear planning and bold visions?