Release February 21, 2020
EAN/UPC: 705304468722
Traumton CD: 4687
Lineup:
Telmo Pires: vocals Carlos Cajé Garcia: acoustic guitar Pedro Sousa: bass João Vaz (2, 3, 4, 6, 7, 8): portuguese guitar Luis Coelho (1, 9): portuguese guitar
Info / Info english
Telmo Pires – Através do Fado
Als einziger männlicher Vertreter der zeitgenössischen Fado-Szene füllt Telmo Pires in Deutschland große Konzerthallen, zuletzt u.a. den Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, die Peterskirche in Leipzig, die Hamburger Laeizhalle und die Zeche Carl in Essen. Dabei begeistert sein individueller Ansatz Publikum wie Medien. „Telmo Pires erscheint nicht nur als eine neue Stimme, sondern auch als neues ‚Image’ des männlichen Fado“, schrieb das portugiesische Magazin Nova Gente schon 2016. Die Welt bezeichnete Pires als „ein Magier seines Genres“ und die WAZ schrieb: „Es gibt Stimmen, die nehmen geradezu Gestalt an, erfüllen einen Raum mit körperlicher Präsenz. Die von Telmo Pires gehört dazu.“
Através do Fado, auf Deutsch „durch den Fado“, hat Pires sein neues Album genannt. Der Titel lässt sich mehrdeutig lesen, er reflektiert Pires‘ persönliche Beziehung zum Fado ebenso wie dessen Vielseitigkeit. „Fado bedeutet Schicksal“, konstatiert Telmo Pires, „er hat mich vor zehn Jahren nach Lissabon gebracht. Ich drücke mich künstlerisch in dieser Musik aus, sehe das Land, wie ich lebe und wie ich liebe durch den Fado.“
Neben der weithin bekannten Melancholie kann die ursprünglich auf den Straßen entstandene Musik durchaus auch fröhliche Züge tragen, was hierzulande weit weniger geläufig ist. „Fado spiegelt die Dinge des Lebens, ob Trauer oder Lebendigkeit“, sagt Pires. „Amália Rodrigues hat ihn durch ihre Schwere für alle Zeiten geprägt. Mich persönlich interessieren aber beide Aspekte.“ So interpretiert Pires beispielsweise Oiça lá ó Senhor Vinho, zu Deutsch „Hören Sie, Herr Wein“, des in den Fünfzigern und Sechzigern populären Songschreibers Alberto Janes, der viele Lieder für die Fado-Ikone Rodrigues schrieb. Mit seinem rhythmischen und melodischen Schwung scheint der Song beinahe zum Tanzen einzuladen, während es im lustigen Text sinngemäß heißt: hören Sie, Herr Wein, was machen Sie mit mir? Worauf der Wein antwortet: ich bin ein göttliches Getränk, wenn du mich behandelst wie Wasser, bist du selbst für die Konsequenzen verantwortlich.
1972 in Bragança unweit der nordöstlichen Grenze zu Spanien geboren, wuchs Pires nach dem Umzug der Familie im Ruhrgebiet auf. Als Teenager spielte er Gitarre in einer Rockband, schwenkte dann um zu Chansons mit portugiesischer, deutscher und französischer Poesie. 2004 präsentierte er, mittlerweile in Berlin ansässig, Passos, sein erstes Album mit selbst geschriebenen Fado-Songs sowie Adaptionen von Klassikern des Genres. Rund fünf Jahre und eine CD später erreichten Aufnahmen eines Konzerts im Berliner Admiralspalast Portugal. Es folgte eine Einladung in eine dortige TV-Talkshow, die zum Sprungbrett für Pires‘ Karriere in seinem Geburtsland wurde.
„In Portugal gehört Fado zur Popkultur und läuft im Radio“, erklärt Pires, „viele Entwicklungen der letzten Jahre wurden von Plattenfirmen angestoßen, etwa Erweiterungen der Arrangements um Instrumente aus dem internationalen Pop.“ Auch Telmo Pires hat früher mit ähnlichen Ideen gespielt, sie aber wieder verworfen. Während er auf der Bühne von jeher die weit verbreitete statische Präsentation durch agile Präsenz konterkariert („ich habe Theater gespielt, dastehen wie eine Salzsäule liegt mir nicht“), fokussiert er sich musikalisch immer mehr auf die Essenz der Lieder. „Ich denke nicht in Konzepten“, sagt Pires, „was ich mache ist das Ergebnis einer organischen Entwicklung.“ Intuition und Reflexion brachten ihn dazu, diesmal noch konsequenter als früher die eigenen Vorstellungen umzusetzen, bis hin zu dem ebenso überraschenden wie eindringlichen a capella-Stück No espelho zum Abschluss des Albums.
Absichtsvoll hat Pires im Studio auf Gast-Stars verzichtet, die Musik stattdessen mit eben jenen Musikern eingespielt, mit denen er vorher auf Tournee war. Sie verstehen sich selbst als profunde Begleiter und stellen ihre Talente nicht aus. „Ich wollte das Album so schlicht wie möglich halten und genau das, was ich auf der Bühne mache, auch auf die Platte bringen“, betont Pires. „Deswegen habe ich darauf bestanden, im Studio alles live aufzunehmen. Mit diesen Musikern funktioniert das, weil sie mich kennen und wissen, wie ich denke und singe.“
Das Repertoire von Através do Fado umfasst drei selbst geschriebene Texte, zu zwei von ihnen hat Pires auch die Musik komponiert. Era uma vez (Es war einmal) ist ein weiteres recht schwungvolles Stück, das sich nicht nur musikalisch von Traditionen abhebt. Sarkastisch beschreibt Pires hier Auswirkungen des aktuellen Über-Tourismus in Lissabon, darunter die Verdrängung alter Kneipen durch schick renovierte Hostels, in denen weder Fado gesungen, noch portugiesisch gesprochen wird. Und wenn Pop-Star Madonna auf den Markt geht, gefolgt von St. António, dem Schutzheiligen der Stadt, versteht Pires diese Szene als Metapher für die Haltung der Hauptstadtbewohner, dass die eigenen Dinge erst dann einen Wert bekommen, wenn sie von Auswärtigen geschätzt werden.
Zwei weitere Gedichte lieh sich Pires von dem politisch engagierten Autor Manuel Alegre (*1936) und dem Poeten und Dramaturgen Tiago Torres da Silva (*1969), letzterer (Sem peso ou medida) dreht sich um Veränderungen: „ich bin ein Fremder in der Stadt, geführt von der Sehnsucht der entfernten Orte, die mich hergebracht hat.“ Der Text zu Não sou nascido do fado stammt von der zeitgenössischen Fado-Sängerin Ana Lains (*1979) und ist, so Pires, „eine Hommage an unsere Wurzeln. Ich bin nicht vom Fado geboren, sondern vom Leben, der Stimme im fernen tosenden Wind.“ Silêncio e tanta gente kommt hingegen aus einer ganz anderen musikalischen Richtung. Die Singer/Songwriterin Maria Guinot (1945-2018) nahm mit ihrer Ballade 1984 am Eurovision Song Contest teil. „Bis heute habe ich Hochachtung davor, dass sie sich alleine am Klavier diesem Wettbewerb aussetzte“, sagt Telmo Pires, „zudem berührt mich das Bild der Stille zwischen den vielen Menschen.“ In einigen anderen Songs bedient sich Pires Melodien, die von berühmten Fado-Künstlern komponiert und als Fado Cravo, Fado Menhor do Porto oder Fado Vianinha in den Kanon des Genres eingingen.
Schon seit Fado Promessa, seinem ersten in Lissabon eingespielten Album, arbeitet Telmo Pieres mit dem Produzenten und Cellisten Davide Zaccaria. Er ist eine feste Größe in der portugiesischen Szene, hatte zuvor unter anderem Dulce Pontes produziert, die Pires ebenfalls schätzt. „Davide kennt sich perfekt in der traditionellen Fado-Stilistik aus, hat aber als Italiener eine andere Sicht darauf. Uns verbindet, dass wir nicht so gebunden sind an die überlieferten Präsentationsformen; nach all den Jahren empfinden wir uns als Brüder.“ Bei Através do Fado übernahm Zaccaria nicht nur die Rolle des Ko-Produzenten, er schrieb und spielte auch das kammermusikalische Streicher-Arrangement von Uma flor de verde pinho.
Seine persönlichsten Lieder hat Telmo Pires an den Anfang und ans Ende von Através do Fado gestellt. Só o meu canto (Nur mein Gesang) drückt aus, dass wir unserer inneren Stimme folgen sollten; aller vermeintliche Besitz kann irgendwann verloren gehen, doch die Stimme gehört wirklich uns. No espelho (Im Spiegel) reflektiert darüber, die Vergangenheit mit Gedanken und Wünschen in Verbindung zu setzen. Für den Songpoeten bedeutet das, seine Jugend im Ruhrgebiet und seine Liebe zur Fado-Historie zu vereinen. Pires‘ singuläre Geschichte mag zu seinem paneuropäischen Erfolg der letzten Jahre ebenso beigetragen haben wie seine bewegende Stimme und der zeitgenössische, stilübergreifende Ansatz. Mit Através do Fado unterstreicht Telmo Pires eindrücklicher denn je seine Sonderstellung in der Fado-Szene und entwickelt eine Gravitationskraft, die weit über sie hinaus reicht.
Telmo Pires – Através do Fado (english)
Following Fado Promessa in 2012 and Ser Fado in 2015, Através do Fado is the artist’s third album recorded and produced in Portugal. Here Telmo Pires also takes on the mantle of co-producer alongside Davide Zaccaria, musician and producer of his previous albums.
In the last few years, Telmo Pires has won over the hearts and minds of the public and press across Europe, gaining a reputation for not only being a new voice, but for having a fresh image and attitude on the contemporary fado music scene.
The fado singer (fadista) is known for his characteristically intimate and personal creative process. Telmo Pires lets on that his art is nurtured by his growth as an artist and human being. “All I do has grown organically, and it was always that way – whether on my artistic journey or in my personal life. One thing always has an impact on the other. Every new work also reflects a fresh way of looking at things, a new milestone in my life. I see life, love, art, and ‘my’ city through my own idea of fado. That’s where the album’s title comes from.”
A fado – or ‘destiny’ – that led him to abandon his place of birth, Bragança, to settle in Germany, still at a tender age. In Berlin, Telmo Pires grew and plunged into the cosmopolitan culture of the German capital. It was here that he began his artistic journey, but his nostalgic longing, or saudade, at once so Portuguese and so fado, made him return to Portugal. In the neighbourhood bairro of Graça, one of the most typical of Lisbon, he found the peace of mind and restlessness that are fado music’shallmark. It is this feeling like no other, in harmony with his cosmopolitan upbringing in the heart of Europe, that has helped Telmo Pires fill concert halls over much of the Old Continent, as just happened on his last tour across Germany in November, where close to a thousand people came to see him at the Berlin Philharmonic.
Através do Fado is a strikingly pure album. The fadista preferred to record live in the studio together with the musicians that join him on stage, and as always under the guidance of Davide Zaccaria. Portuguese guitar, viola and bass. Telmo Pires admits this is the simplest, most direct way to get to the essence of his fado – with just one exception, the song Uma Flor de Verde Pinho by Manuel Alegre and José Niza. This song he admits to “wanting to sing for many years” but only now did he feel ‘mature’ and adult enough to do so. And so, he asked producer Zaccaria to write and record a new string arrangement. And it came together beautifully.
Telmo chose two of his own never-before-released compositions to open and close the album. Só o meu canto, with its striking melody, reflecting on how nothing is truly ours, but simply borrowed and which allows the fadista to show his talents and his range, not only as singer, but also as singer-songwriter. He closes with No Espelho, sung to the tune of Fado Vianinha by Francisco Viana. Unaccompanied, a cappella, as if abandoned by the world and life itself. A snapshot of a moment in time, in the life of a man who looks around and accepts what he sees, made up of a wealth of experiences, the hurt and joyfulness of the past, but where he cannot and will not ignore what is most important: the present.
The new album also includes the lyrics of other contemporary artists, such as the beautiful Sem peso ou medida by Tiago Torres da Silva, sung to the tune of Alfredo Marceneiro’s Fado Cravo, or Não sou nascido do Fado by Ana Lains, friend, singer and fadista in her own right. Telmo weds her lyrics to Mario José Lopes’ Fado Lopes, reaching new heights of expression as if it had been written with him in mind, so well does it suit his style and manner of interpretation.
With Era uma vez, Telmo created a melodic fado number which “is an earworm that stays there”, thanks to its rhythm and simplicity. A fado song that is an invitation to dance, up to the minute, with lyrics that poke fun at life nowadays in what for him is “the most beautiful city in the world”
With Através do Fado, Telmo doesn’t fail to impress and to consolidate his special place in the world of contemporary fado.