Release March 23 2007
EAN/UPC: 705304450222
Traumton CD: 4502
Lineup
Kristiina Tuomi: voice Carsten Daerr: piano Carlos Bica: doublebass
Guests: Margherita Biederbick: Violin Hannah Klein: Viola
Recorded at Traumton Studios Berlin by Wolfgang Loos
Mixed at Vagnsson Studio Iceland by Hrólfur Vagnsson
Mastered at Traumton Studios Berlin by Wolfgang Loos
Produced by Tuomi
Info / Info english
Tuomi – The Expense Of Spirit
Mit dem zweiten Album The Expense Of Spirit bestätigt das Trio Tuomi seinen Ausnahmecharakter in der internationalen Musiklandschaft. In der Besetzung Altstimme, Klavier und Kontrabass erweisen sich Kristiina Tuomi, Carsten Daerr und Carlos Bica in ihrer kongenialen Umsetzung klassischer Lyrik und eigener Songtexte erneut als Meister im noch zu bestimmenden Genre. Sind doch ihre Kompositionen mehr denn je im romantischen Kunstlied, in der keltischen Mörderballade oder im skandinavischen Folksong anzusiedeln – und begeistern trotzdem auch Popfans. Der derzeit gängige Soft-Soul-Jazz hat eine Alternative bekommen!
Damit setzt Tuomi den erfolgreichen Weg ihres Debüts Tightrope Walker fort, das vor zwei Jahren im Feuilleton und der Fachpresse auf einhellige Begeisterung stieß. So empfand der Jazzthing-Rezensent die Musik des Trios „elegisch, verwunschen und (…) mit ihren klaren, lyrischen Melodien (…) liebreizend artifiziell.“ Die FAZ erkannte, wie die deutsch-finnische Sängerin Kristiina Tuomi „ihre Songs fast ganz in den Bereich des Kunstlieds“ transportiere, doch „eine so pathos- und posenfreie (…) Stimme gibt es dort ebenso wenig wie die improvisatorischen Freiheiten, die dem höchst sensiblen Pianisten Carsten Daerr eingeräumt sind“. Und schließlich beschrieb die Jazzthetik Tightrope Walker als „eine dunkel klingende Platte, die in ihrer intimen, kammermusikalischen Besetzung (…) Geschichten über romantische, aber auch verletzte Liebe erzählt“ und jubelte: „Kristiina Tuomi singt das alles mit einer entwaffnenden Klarheit und Schlichtheit – fernab von Jazzparametern.“
Auch auf The Expense Of Spirit erweist sich das Trio beim Trapezakt zwischen kongenialer Lyrik-Vertonung, jazz-affinem Pop (aus eigener Feder) und dem, was die Portugiesen und Brasilianer „Saudade“ nennen, als völlig schwindelfrei: souverän tritt die natürliche Altstimme von Kristiina Tuomi mit Carsten Daerrs luzidem Klavierspiel und Carlos Bicas singendem Kontrabass in Dialog und lässt Lieder voller Transparenz und lyrischer Feinheiten entstehen , die den Zuhörer fordern, verführen und faszinieren.
Schon bevor sich das Nord-Süd-Trio formierte, machten Kristiina Tuomi und Carsten Daerr gemeinsam Musik. Während ihres Jazz-Studiums an der Berliner Universität der Künste, wo sie u.a. von Maria Schneider und David Friedman in die Finessen der Komposition und des Timings eingeführt wurden, entwickelten die beiden die Vorliebe, Shakespeare-Sonette zu vertonen. „Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie meine musikalischen Skizzen in der Zusammenarbeit mit Kristiina ein Eigenleben bekommen und sich ganz natürlich heraus kristallisiert, welches Gedicht zu welcher Komposition passt“, beschreibt Carsten Daerr ihre Verfahrensweise. Neue Impulse bekam das Team, als Kristiina Tuomi nicht nur die Poesie eines Edgar Allen Poe (wieder-)entdeckte, sondern auch eigene Songtexte verfasste, deren Pop-Appeal das kunstliedartige Erscheinungsbild erfrischend konterkarierte. Kurzzeitig schloss sich den beiden auch ein Cellist an. Als dieser aber in eine andere Stadt zog, hielten sie nach einem anderen Mitmusiker Ausschau, da sie fortan auf das Wechselspiel von drei charakteristischen Klangfarben nicht mehr verzichten wollten.
„ Kurz nachdem Carsten und ich ungewollt wieder zum Duo geschrumpft waren, besuchten wir gemeinsam einen Jazzclub, in dem der Kontrabassist Carlos Bica mit seiner Berliner Band Azul eine hinreißendes Konzert gab.“, erinnert sich Kristiina Tuomi. „Carsten und ich schauten uns gegenseitig an und wussten, dass dies der richtige Mann für unsere Musik ist.“ Den Tag darauf schickte die Sängerin dem portugiesischen Wahlberliner, der u.a. schon Ana Brandão und Maria João begleitete, ein Demo zu und Bica reagierte blitzschnell: „Zwei Tage später rief er an und fragte, wann die erste Probe stattfindet.“ Wie künstlerisch befruchtend diese Begegnung sein sollte, wurde anschließend nicht nur auf zahlreichen Bühnen demonstriert, sondern konnte im Frühjahr 2005 auch auf dem gefeierten Tonträger Tightrope Walker nachvollzogen werden, dessen Nachfolger The Expense Of Spirit nun alle hochgesteckten Erwartungen mit Leichtigkeit einlöst:
Da wäre als erstes „Th’expense of spirit“, das titelgebende Shakespeare-Sonett über die Zweischneidigkeit aller Sinnenfreuden: Daerr und Bica spielen sich einige transparente Akkorde zu, dann setzt Kristiina Tuomi mit einem sanftem Erzählton ein, der sich bald dramatisch zuspitzt, um dann besonnen in der Bilanz zu münden: „All this the world well knows; yet none knows well..“
„Staring Red Carpet“ gibt den Auftakt für die selbstverfassten Texte des Albums. Auf das Schubert-artige Klavier-Intro antwortet der Bass mit hohen Tönen und nimmt im Verlauf des Stücks die Gesangslinie auf, bis mit „ You say that I’m out of my mind/I say that you are colour blind“ eine raffinierte Replik auf leichtfertige Hysterie-Unterstellungen erfolgt.
Metaphernreich geht es auch in der Eigenkomposition „On A Cloud“ zu, wo in der sehnsüchtigen Frage “Would you catch me and cover me/With the misty veil of your dress“ ein schöner Perspektivenwechsel vollzogen wird. Hier tritt auch Kristiinas Vorliebe für die balladeske Seite von Radiohead deutlich zutage.
Bei So.Weiss (dem Trio der Saxophonistin Susanne Folk; das Debüt Hunter/Dancer erschien 2006 ebenfalls bei Traumton) bewies Kristiina bereits, dass sich ihre ungekünstelte Interpretierweise nicht auf englische Songtexte beschränkt. Nun zeigt auch das neue Tuomi-Album, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit sich Kristiina und Carsten ebenso in deutschsprachiger Lyrik als Schatzsucher erweisen. Ihre Bearbeitung von Rainer Maria Rilkes „Liebes Lied“ braucht sich vor den bekannten Heine- und Goethe-Adaptionen der romantischer Meister jedenfalls nicht zu verstecken.
„ Hide And Seek“; das in seiner mitreißenden Dynamik wohl poppigste Stück des Albums schlägt inhaltlich den (sprichwörtlichen) Bogen zum vorangegangenen Rilke-Gedicht, indem hier die Instrumentenmetapher wieder aufgenommen wird ( „You turned into a violin…”) und wartet mit einem C-Teil auf, der es in sich hat! Wer bis dato vergeblich nach einer nordischen Antwort auf Laura Nyro und Regina Spektor Ausschau hielt, wird nun mit Tuomi fürstlich entlohnt!
Nach so viel Temperament sorgt Stings Abgesang ans Gottvertrauen („When The Angels Fall“) hier mittels perlender Klaviertupfer, gestrichenem Kontrabass und ungewohnten brüchigem (und darin Kate Bush und Tori Amos ähnelndem) Gesang für einen sechsminütigen Ruhepol.
Kristiinas Sinn für Humor kommt dafür in „My Mistress’ Eyes“ voll zur Geltung: Shakespeares Hymne an eine eher non-konforme Schönheit (korallenrote Lippen, schmutzig-beige Brüste…) von einer Geschlechtsgenossin dargeboten – ein Kuriosum, das auch gut ins Repertoire von Holly Cole passen würde. Genial, wie hier die instrumentale Begleitung in stockenden Schritten folgt – als ob sie sich vergewissern möchte, ob die Interpretin das Gesungene wirklich ernst meint! Und während sich Carlos Bica und Carsten Daerr ein paar dissonante Späße erlauben, liefert Kristiina noch eine schöne Pfeiffeinlage.
Bei Edgar Allen Poes “Bridal Ballad” weiß der Hörer dagegen sehr bald, wie er die in Molltönen gehaltene Glücksbekundung „And I’m happy now“ zu deuten hat. Ein Lied, das bereits auf Tightrope Walker zu den Höhepunkten zählte und nun mit Carsten Daerrs einnehmendem Streicherarrangement viel mit den Murder Ballads der britischen Folk-Ikone June Tabor gemein hat.
Wer die vielfältigen Aktivitäten Carlos Bicas verfolgt, dem dürfte auch das Instrumentalstück „Believer“ bekannt vorkommen. In der Duobesetzung feiert es hier aber seine Premiere und ist live auch als Zäsur gedacht, „wenn der Fokus mal von der blonden Sängerin auf die beiden Instrumentalisten übergehen soll“ (O-Ton Kristiina).
„ Mourning Eyes“, die dritte Shakespeare-Adaption auf The Expense Of Spirit dient als weiteres Beispiel der Arrangierkunst von Carsten Daerr (der hier ganz aufs Klavierspiel verzichtet): wie sich aus Kristiinas a capella-Intro das Streichertrio herausschält gehört mit zu den ergreifendsten Momenten des neuen Albums.
Aus der dunklen Gasse führt die „Tamerlane“ mit ihren Debussy-artigen Trillern, komplementären Bass-Akzenten und Kristiinas besänftigendem Gesang, der besonders im Strophenanfang an die “mittlere“ Joni Mitchell denken lässt. Ein weiterer Beispiel dafür, wie sehr Poes Poesie Tuomi zu beflügeln vermag!
Bei „White Wall“ handelt es sich um eine Gemeinschaftsarbeit von Carlos und Kristiina. In einem kargen Arrangement, das mit seinen unisono gespielten Streichern an Arvo Pärts „Tabula Rasa“ denken lässt, wird die geschilderte Spurensuche zum Selbst dramatisch illustriert. Die leidenschaftliche Klimax im zweiten Chorus erfährt im Appell „Turn around“ eine brüske Unterbrechung und der nachdenkliche Tonfall des Liedes wird wieder aufgenommen.
„ An Isle In The Water“, W. B. Yeats’ Liebeserklärung an die Anmut einer Bediensteten bei ihren täglichen Verrichtungen (die in der Gewissheit münden: „With her I would go“) gibt The Expense Of Spirit schließlich den versöhnlichen Ausklang.
Wäre da nicht noch der „Mourning Eyes-Stefan Goldmann Remix“, welcher mit Industrial-artigem Intro, verfremdeten Vocals (à la Kate Bushs The Dreaming) und bedrohlicher Glocken-Percussion auch die „Gothic“-Seite von Tuomi offen legt.
Tuomi wollen weder die Bedürfnisse des gerade so populären Schonkost-Jazz bedienen, noch auf die Rolle der begabten Kunstliedinnovatoren festgelegt werden: „Auf die Schönheiten Shakespearescher Sonette aufmerksam zu machen – oder anderer Gedichte, die uns ans Herz gewachsen sind- ist sicher ein Ziel. Doch vor allem geht es uns darum, die Leute wieder dafür zu gewinnen, richtig zuzuhören, betont Kristiina Tuomi, „denn was wir machen, ist definitiv kein Easy Listening!“.
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Tuomi – The Expense Of Spirit (english)
With their second album The Expense Of Spirit, Trio Tuomi confirm their extraordinary status on the international music scene. Alto voice, piano and contrabass – Kristiina Tuomi, Carsten Daerr and Carlos Bica once again prove to be masters of a still unmapped genre with their congenial interpretation of classical lyric with original lyrics. More than ever, their compositions spring from the Kunstlied (traditional romantic poem set to classical music), Celtic ballads of murder, or the Scandinavian folk song – and still enthuse pop fans. The wave of soft-soul-jazz, currently enjoying immense popularity, has definitely got an alternative!
And so Tuomi continues on the road of success started by their debut album Tightrope Walker, which was met with unanimous enthusiasm by music critics and press two years ago. Jazzthing reviewer, for example, found the trio’s music to be „elegiac, execrating, and (…) with their clear, lyrical melodies (…) charmingly artistic.“ The FAZ remarked how the German/Finnish singer Kristiina Tuomi „transports her songs almost entirely into the domain of the „Kunstlied (poetry set to classical music), but that it is a domain where a voice so free of pathos and pretention is just as rare as the improvisational freedom allowed highly sensitive pianist Carsten Daerr“. And finally Jazzthetik described Tightrope Walker as „a dark sounding record, that tells stories of romantic love as well as heartbreak with an intimate chamber music ensemble (…)“, and raves: „Kristiina Tuomi sings all this with disarming clarity and elegance – far beyond the parameters of jazz.
On The Expense Of Spirit, Tuomi again flaunts its total fearlessness of heights in a high-wire act between congenial lyric set to music, jazzy pop (self-penned) and what the Portuguese and Brazilians call „Saudade“: Kristiina Tuomi’s natural alto confidently and competently enters a dialogue with Carsten Daerr’s lucid piano playing and Carlos Bica’s singing contrabass, creating songs full of transparancy and lyrical sophistication that challenge, seduce and fascinate the listener.
Kristiina Tuomi and Carsten Daerr were making music together even before forming this North-South trio. While studying jazz at the Berlin University of Art, where they were introduced to the finesses of composition and timing by Maria Schneider and David Friedman, among others, the two developed a pension for putting Shakespearean sonnets to music. „It’s always fascinating to see (and hear) how my musical sketches come to life when working with Kristiina, and how it naturally works itself out, which poem best fits which composition,“ says Carsten Daerr about their working modus. The Team got new impulses when Kristiina Tuomi (re)-discovered not only the poesy of Edgar Allen, but also wrote her own lyrics, whose pop-appeal was a refreshing foil to the „kunstlied“ image. The two of them joined in with a cellist for a short time, but when he moved to a different city they started looking around for other musicians, no longer wanting to do without the interaction of three different characteristic sounds..
„Shortly after Carsten and I had reluctlantly shrunk back to a duo, we went to a jazz club together where contrabassist Carlos Bica with his Berliner band Azul were giving an enthralling concert,“ recalls Kristiina Tuomi. „Carsten and I looked at each other and knew immediately that this was the right man for our music.“ The next day the singer sent the Portuguese (living in Berlin), who had already accompanied the likes of Ana Brandão and Maria João, a demo. Bica reacted in a flash: „Two days later he called and asked when the next rehearsal was.“ Just how artistically fruitful this meeting would turn out to be was not only demonstrated on numerous stages, but on the highly acclaimed record, Tightrope Walker, released in the spring of 2005. Its successor The Expense Of Spirit has fulfilled all the high expectations with ease.
Tuomi don’t want to cater to the needs of „jazz-light“, so popular currently, nor to be stereotyped as the talented „Kunstlied“ innovators: „To make people aware of the beauty of a Shakespearean sonnet – or other poems which have touched our hearts – that is certainly a goal. But most of all we want to make people really start listening again, emphasizes Kristiina Tuomi, „Because what we do is definitively not Easy Listening!“.