Release November 27, 2009
EAN/UPC: 705304453124
Traumton CD: 4531
Lineup
Pär Lammers: piano Marcel Krömker: double bass Benni Wellenbeck: drums
Special guests:
Chris Hirson: soprano saxophone Louise D.E. Jensen: alto saxophone Hannes Daerr: tenor saxophone, bass clarinet Daniel Schaub: western guitar
All songs arranged by Lammers / Krömker / Wellenbeck
All songs published by Traumton Musikverlag
except „Cowshed“, published by Reverb Music Ltd
Recorded, mixed and mastered by Wolfgang Loos
Additional recordings by Martin Offik
Produced by Wolfgang Loos
Info / Info english
Pär Lammers Trio – Komm doch vorbei
Musik kann so vieles sein. Gewollt oder unbewusst, sie ist in jedem Fall Ausdruck einer Lebenshaltung. Vor allem junge Jazzmusiker neigen oft dazu, in ihrer Musik eine Lebenshaltung zum Ausdruck zu bringen, die vielleicht noch nicht die ihre ist, ihnen aber auf lange Sicht vorschwebt. Es ist eine Frage der Reife, sich zu den eigenen Erfahrungen zu bekennen. Das Pär Lammers Trio aus Hamburg schöpft voller Lust aus dem bunten, prallen Leben. Schon mit seinen ersten beiden Platten „All Die Bunten Schafe“ (2007) und „Hinten Rechts, Der Regen“ (2008) haben die drei jungen Musiker zwei erstaunlich souveräne Statements abgeliefert, die einen ganz eigenen Kosmos zwischen zeitgenössischer Poperfahrung, klassischer Klarheit und der imaginativen Freiheit des Jazz absteckten. Mit der dritten CD „Komm Doch Vorbei“ beginnt jedoch ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Trios.
Pianist Pär Lammers, Bassist Marcel Krömker und Drummer Benni Wellenbeck arbeiten schon seit fünf Jahren miteinander. Waren die ersten beiden Platten noch Ausdruck einer verlängerten Annäherung aneinander und somit ein langer Anlauf auf sehr hohem Niveau, so ist „Komm doch vorbei“ nun die Punktlandung nach dem Absprung. Das Pär Lammers Trio ist angekommen, wo es immer hinwollte. Man spürt mit jedem einzelnen Ton, wie gut sich die drei Musiker mit dieser CD fühlen, wie sehr sie sich mit dieser Musik identifizieren. Die programmatischen Parameter waren schon auf den letzten beiden Alben gesetzt, aber auf der neuen Platte wird dieser elegante spielerische Anspruch noch ungleich überzeugender mit jener charmanten urbanen Beiläufigkeit versetzt, die sich immer deutlicher zum Markenzeichen des Pär Lammers Trios entwickelt. Die Musik ist von unübertroffener Alltagstauglichkeit. „Das hängt auch damit zusammen“, bestätigt Lammers, „dass wir uns gar nicht mehr so viele Gedanken über die endgültige Form gemacht und den Druck, dem wir uns früher selbst aussetzten, verringert haben. Wir konnten es zulassen, Unerwartetes nicht als Fehler von uns zu weisen, sondern als Inspirationsquelle zu verstehen. Auch privat sind bei uns viele Dinge passiert, die uns klare Entscheidungen und Bekenntnisse abverlangt haben. Diese Klarheit hat sich auf unsere Musik übertragen, ohne dass darüber groß diskutiert werden musste. Wir haben uns mehr Zeit im Studio gelassen und Dinge geschehen lassen, die mehr Spontaneität aufs Album brachten.“
Dieses positive Grundgefühl überträgt sich unschwer auf den Hörer. Das Trio konnte einfach loslassen und sich selbst spielen. Es gab keinerlei Vorgaben. Einige Sachen entstanden spontan im Studio, andere hatte man schon oft gespielt. Das gesunde Mischungsverhältnis zwischen Vertrautem und Unbekannten macht die menschliche Komponente auf der CD aus. Ein scheinbares Paradox besteht jedoch darin, dass der offensichtliche Reifeprozess und die wachsende Souveränität des Trios gleichzeitig mit einem immer unbekümmerteren Zugang zu seiner eigenen Klangwelt einhergeht. Lammers und seine Gespielen werfen allen nur denkbaren Ballast ab. Die Musik muss nichts mehr sein, sie steht einfach nur noch für sich selbst. „Wir stellten uns einfach nicht mehr die Frage, welche Stile wir bedienen müssen und was wir zu tun hätten, um gut zu sein“, erinnert sich der Pianist. „Als Musiker verleiht man zuweilen dem Wunsch, bestimmte äußere Kriterien zu erfüllen, zu viel Gewicht und vernachlässigt die eigenen musikalischen Bedürfnisse. All diese Fragen konnten wir diesmal jedoch frohgemut über Bord werfen und uns an dem erfreuen, was passierte. Wir kamen ohne jede Programmatik aus.“
Doch was bleibt unter dem Strich? Braucht die Musik des Pär Lammers Trios noch Benennungen? Sicher ordnet man Klang, Gerüst und instrumentale Aufstellung dieser CD unweigerlich im Jazzkontext ein. Ein improvisierendes Piano-Trio. Was sollte das sein, wenn nicht Jazz? Dennoch ist dem noch jungen Trio eine CD gelungen, die zwar alle landläufigen Anforderungen an den Jazz erfüllen mag, aber ganz anders funktioniert. Man kann diese Songs problemlos zwischen aktuellen Pop- oder Rock-Alben spielen und kaum jemandem würde auffallen, dass sich das musikalische Gesichtsfeld verändert. Vielleicht ist ja gerade dies die Stärke junger Jazz-Pioniere wie Lammers, die zwar verändern wollen, jedoch nicht gleich immer das Register der Destruktion ziehen müssen. „Wir wollen, dass die Leute uns nicht als Jazz Trio wahrnehmen, sondern denken, oh, was für ein schöner Song. Sicher spielt es eine Rolle, dass wir in einem instrumentalen Trio agieren, denn wir haben diesen Kontext ja selbst gewählt, aber das Ziel unserer Band war von Anfang an viel universaler. Dass dies jetzt aufgegangen ist, liegt wohl daran, dass wir dieses Ziel diesmal nicht mehr so drastisch formuliert haben.“
Die Songs sind das eigentliche Pfund des Albums. Pär Lammers ist ein Songwriter, der auf den angeblich unvermeidlichen Singer getrost verzichten kann. Seine Art, auf dem Klavier zu singen, klingt ganz neu und unverbraucht. Er selbst bleibt jedoch auf dem Teppich, weiß er doch um die Leistungen des Brad Mehldau Trios, von The Bad Plus und e.s.t. „Wir sind ja nicht die erste Band mit dem Anspruch, ein größeres Publikum als die Jazz-Klientel anzusprechen. Aber auch über diesen Aspekt haben wir uns letztlich keine Gedanken mehr gemacht. Die Frage, wen wir auf welchem Weg erreichen könnten, wich der Problemstellung, wie wir unsere Musik so umsetzen können, dass sie uns gefällt. Das ist natürlich eine Geschmacksfrage. Mit dem neuen Album sind wir auch geschmacklich im Reinen, weil es wiederspiegelt, was wir selbst gern haben.“
Um dem Album mehr Nachdruck zu verleihen, arbeitete das Trio in einigen Stücken mit Bläsern. Das hatte beileibe nichts damit zu tun, dass man sich selbst nicht mehr genügen würde. Im Gegenteil. Lammers suchte nach Kontrasten, die das Ausdrucksspektrum des Trios schärfen sollten. Er selbst spricht vom „Kontrast dieser pompösen archaischen Sounds zu den kleinen, introvertierten Piano-Arrangements. Es sollte einfach mal brüllen. Das hat vielleicht auch auf unsere Spielweise als Trio abgefärbt.“
Ein Pop-Album im Jazzgewand oder ein Jazz-Album im Popgewand? Vielleicht beides zugleich, womöglich auch keines von beidem. Pär Lammers und sein Trio sind über sich selbst hinaus gewachsen. Was nun jeder einzelne Hörer daraus macht, liegt nicht mehr in ihrer Hand. Am Ende eignet sich „Komm doch vorbei“ genauso gut zum konzentrierten Hochgenuss unterm Kopfhörer wie zum geselligen Abend zu zweit oder mehr, als Soundtrack zum Schlendern und als vertrauter Begleiter für jede Lebenslage.
***
Pär Lammers Trio – Komm doch vorbei (english)
Music can be so many things, but intentionally or unconsciously, it is most certainly an expression of lifestyle. It seems to be young jazz musicians in particular who tend to express a lifestyle in their music that they haven’t really lived yet, one that they hope to attain in the long run. Acknowledging the lessons you learn from life is a question of maturity. The Pär Lammers Trio creates with zeal, tapping into life itself, in all its colors and all its fullness. With their first two albums „All die bunten Schafe“ („All the Speckled Sheep“ 2007) and „Hinten rechts, der Regen“ („The Rain is Right Behind You“ 2008) the three young musicians already delivered two amazingly sovereign statements, covering a unique cosmos between contemporary pop experience, classical clarity and the imaginative freedom of jazz. With the third CD „Komm doch vorbei“, a new chapter in the trio’s story has begun.
Pianist Pär Lammers, bassist Marcel Krömker and drummer Benni Wellenbeck have been working together for five years already. If their first two records were an expression of an extensive convergency, a long getting-to-know-you phase aimed at reaching the highest possible standard, they have surely hit the mark with „Komm doch vorbei“. The Pär Lammers Trio is now right where it’s always wanted to be. With every single note, you sense just how good these three musicians feel with their CD, just how much they identify with their music. Programmatic parameters were already set on the last two albums, but here, their elegantly playful aspiration is even more convincingly laced with a charming urban casualness which is clearly developing into the Pär Lammers Trio trademark. The music has an unbeatable suitability for everyday use. „That’s because,“ confirms Lammers, „we didn’t worry so much any more about the final form, and reduced the pressure we used to put on ourselves considerably. We could allow ourselves to see unexpected developments as a source of inspiration instead of as mistakes to be dismissed. And in our private lives a lot has happened that required clear decisions and commitments. This clarity transferred itself to our music without having to be discussed much. We took more time in the studio and let things happen that put more spontaneity on the album.“
The positive vibe here transfers easily to the listener. The trio could simply let go and be themselves. There were absolutely no „musts“. Some things happened spontaneously in the studio, others had already often been played. A healthy mixture of the familiar and the unknown is what gives the CD its human component. There does seem to be a paradox however, in that the trio’s obvious maturation process and flowering sophistication seem to go hand in hand with an increasingly devil-may-care approach to its own world of sound. Lammers and his cohorts are throwing away all kinds of baggage. The music doesn’t have to be anything any more, it just stands for itself. „We just don’t ask those questions like what style we have to follow and what we should do to be good any more“, reflects the pianist. As a musician, you sometimes place too much importance on trying to fulfill certain external criteria, and neglect your own musical needs. But this time we could quite cheerfully throw all these questions overboard and enjoy what was happening. We got along just fine without any kind of programm.“
So what’s left at the end of the day? Does the music of the Pär Lammers Trio need more description? Surely the sound, the framework, and the instrumentation inevitably fall into a jazz context. An improvising piano trio. What’s that supposed to be, if not jazz? And yet this young trio has managed to make a CD that meets all the usual jazz requirements, but works in a completely different way. You can easily play these songs between current rock or pop albums and hardly anyone would notice a change in the musical range. Maybe this is exactly the forté of young jazz pioneers like Lammer, who want to change things, but don’t have to push the „destroy“ button right away? „We don’t want people to perceive us as a jazz trio, we want them to think oh, what a beautiful song. Sure, it plays a role that we play in an instrumental trio, we chose this context ourselves, but our aim was much more universal from the very beginning. The reason this is panning out now is that we stopped formulating this aim so drastically.
The songs are actually the real strength of this album. Pär Lammers is a songwriter who can easily do without the allegedly indispensable singer. The way he sings on the piano sounds completely new and unused. He himself stays grounded, knowing well the accomplishments of the Brad Mehldau Trio, The Bad Plus and e.s.t. „We are not the first band with the aspiration of reaching a wider audience than just jazz fans. But in the end we didn’t think about this aspect any more. The question of who we could reach and how gave way to solving the problem of how we could realize our music in a way we liked. This is naturally a question of taste. We feel we’ve stayed true to ourselves as far as taste goes on the new album, because it reflects what we ourselves like.“
To give the album even more intensity, the trio worked with horns on several tracks. That has nothing at all to do with being inadequate as a threesome. On the contrary, Lammers was looking for contrasts to sharpen the trio’s spectrum of expression. He himself speaks of „The contrast of these pompous archaic sounds to the little introverted piano arrangements. It was just supposed to start roaring. Maybe that rubbed off on the way we play as a trio?“
A pop album in jazz clothing or a jazz album wrapped as pop? Maybe both at the same time, possibly neither of the two. Pär Lammers and his trio have grown beyond themselves. What each individual listener makes of this no longer lies in their hands. In the end „Komm doch vorbei“ is just as good for focussed high-quality enjoyment under headphones, as it is for cozy evenings for two or more, as a soundtrack for a leisurely stroll, or as a trusted companion for any and every phase of life.