Release April 04, 2014
EAN/UPC: 705304460221
Traumton CD: 4602
Music by Laura Winkler
Lyrics track 1, 2, 3, 6, 9, 10 by Laura Winkler
Published by Traumton Musikverlag
Lyrics track 4, 6, 7 by Haruki Murakami
Copyrighted material, used by permission
Recorded by Volker Greve Berlin, February 2013
Mixed and mastered by Wolfgang Schiefermair Berlin, March-April 2013
Info / Info english
Laura Winkler & Wabi-Sabi Orchestra – Paper Clips
An ambitionierten Großformationen ist die deutsche Jazz-Landschaft nicht gerade arm. Leider schaffen es nur wenige Big Bands, dem Jazz in unserer Zeit neue Farben hinzuzufügen und sich auf aktuelle Hörbedürfnisse einzustellen. Die junge aus Graz Stmmende und derzeit in Berlin ansässige Sängerin und Komponistin Laura Winkler findet mit ihrem Wabi-Sabi Orchestra nun einen völlig neuen Ansatz.
Wenn sie die Musik ihrer ersten CD „Paper Clips“ beschreibt, vermeidet Laura Winkler den begriff Big Band. Das liegt nicht etwa daran, dass sie sich von herkömmlichen Jazz-Orchestern absetzen wollte, sondern daran, dass das Portfolio des Wabi-Sabi Orchestras weitaus größer ist. Das Angebot reicht von kammermusikalischen Strukturen über präzise ausgearbeitete Voice-Tüfteleien, bei denen die Instrumentierungen bestenfalls unterstützenden Charakter im Hintergrund haben, bis hin zu saftigen Jazz-Arrangements. Den klassisch schmetternden Bläsersatz sucht man auf diesem Album indes vergebens.
Am Anfang dieses ungewöhnlichen Projektes stand eine Masterarbeit von Laura Winkler, die von John Hollenbeck betreut wurde. Der amerikanische Schlagzeuger, der seine Zelte längst in Berlin aufgeschlagen hat, sammelte ausgiebige Erfahrungen mit Großformationen, unter anderem der Jazz Big Band Graz, dem Village Vanguard Orchestra oder Bob Brookmeyers New Art Orchestra. Eine bessere Empfehlung hätte es für die Sängerin nicht geben können. Denn für Laura Winkler stand von Anfang an fest, dass sie nach neuen Farben und Kombinationsmöglichkeiten für eine große Gruppe suchen wollte. Als wäre eine organische Verbindung der zeitgenössischen Möglichkeiten von Stimme und Jazz-Orchester nicht schon Herausforderung genug, integrierte sie auch noch Geige und Viola in ihr Konzept. Dabei ging es ihr viel weniger um einen kontinuierlichen Gesamtklang des Ensembles als um die zahlreichen Begegnungsmöglichkeiten, die sich aus dieser Grundkonstellation ergeben.
Das Wabi-Sabi Orchestra erscheint wie eine große Kreuzung mitten in der Großstadt, auf der sich zahllose Stimmen unterschiedlichster Zungen begegnen und im Gespräch neue Bilder, Gedanken und Ideen freisetzen. Am Anfang steht die totale Draufsicht auf die Kreuzung, doch schnell löst sich der ultimative Klang in zahlreichen Episoden auf. Jede dieser Begegnungen hat ihre Zeit und wird von einem anderen Ereignis abgelöst. Solos im klassischen Sinn gibt es nicht, mal steht die eine Persönlichkeit oder Gruppierung mehr im Vordergrund, mal die andere. Aus all den Stimmen zusammen ergibt sich ein veränderliches Wimmelbild, das sich dennoch zu einem starken Erzählstrang verdichtet.
Hauptinspiration und Ausgangspunkt waren für Laura Winkler die Texte des japanischen Romanautors Haruki Murakami. Sie drang tief in die gleichermaßen ausgleichende und verstörende Sprache des Meistererzählers ein, analysierte einzelne Wörter und Wortkombinationen, las aus den Wörtern Formen heraus, suchte nach adäquaten Klängen und wurde fündig. So löste sie die Leichtigkeit und Schwere aus Murakamis Texten und übersetzte sie in pure Emotion. Ihre aus früheren Arbeiten mit Big Bands rührende Neigung zum Epischen durchmischte sie mit einem neuen Bekenntnis zum Spartanischen. Jedes Stück steht für einen anderen ästhetischen Anspruch.
Diese große Offenheit und Beweglichkeit fällt vor allem beim Einsatz von Laura Winklers eigener Stimme auf. Mal ist die menschliche Stimme in ihren tausend Facetten unangefochtenes Hauptinstrument der Band, wie in „Dance 1“ und „Dance 2“, in vielen anderen Stücken aber ist sie nur eine unter vielen Klangfarben. Die Bandleaderin tritt hier zwar durchweg als Vokalistin, hauptsächlich aber als Komponistin in Erscheinung, die mit ihren Mitteln hervorragend hauszuhalten weiß und kein Gestaltungselement über die anderen stellt. Im Vordergrund stand bei der Arbeit stets die Frage, was den Texten nützt.
Die Musiker und Musikerinnen, mit denen sie sich auf „Paper Clips“ umgibt, sind ausnahmslos Protagonisten der jungen bis ganz jungen Berliner Szene. Einige unter ihnen wie der vielversprechende isländische Gitarrist Daniel Bödvarsson oder jetzt schon zum großen Hoffnungsträger ausgerufene Drummer Tilo Weber haben noch nicht einmal ihr Studium am Jazzinstitut Berlin beendet. Andere wie Saxofonistin Kati Brien, Baritonsaxofonist Viktor Wolf oder Vibrafonist Raphael Meinhart sind gerade dabei, sich auf dem jungen Berliner Jazzpflaster unentbehrlich zu machen. Dienstältester Hase in der Herde ist Bassist Oliver Potratz, der sich bereits unter anderem mit Daniel Erdmann, Arne Jansen, Kalle Kalima und Carsten Daerr einen Namen gemacht hat.
Laura Winklers fein nuancierte Musik ist bis ins letzte Detail stimmig. Nur der Bandname scheint auf den ersten Blick einen gewissen Gegensatz zu dem ausgeklügelten Konzept zu bilden. Wabi-Sabi klingt nach Ramba Zamba oder ähnlich flüchtigen Partyvergnüglichkeiten, die von der tiefsinnigen und überaus reflektierten Musik Laura Winklers so gar nicht bedient werden. Doch der phonetische Schein trügt. Wabi Sabi bedeutet im Japanischen etwa soviel wie „die Schönheit im Schlichten“. Laura Winkler trug dieses Motto schon lange in sich, auf „Paper Clips“ findet sie endlich eine Möglichkeit, diese Maxime umzusetzen.
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Laura Winkler & Wabi-Sabi Orchestra – Paper Clips (english)
Highly ambitioned large ensembles aren’t exactly scarce in the German jazz-landscape. Unfortunately only a few big bands succeed in adding new colors to the jazz of our times or in adjusting to current listening desires. The young Berlin-based singer and composer Laura Winkler and her Wabi-Sabi Orchestra are now finding a whole new approach.
When she describes the music of her first CD “Paper Clips”, Laura Winkler avoids the term big band. This is not because she wanted to distance herself from conventional jazz orchestras, but because the portfolio of the Wabi-Sabi Orchestra is far bigger. The range goes from chamber-musical structures to precisely devised voice-formations, for which the instrumentation has supporting character in the background at most, and all the way to juicy jazz arrangements. The classically blaring horn section does not appear on this album though.
The beginning of this project was a Master’s thesis of Laura Winkler, which was supervised by John Hollenbeck. The American drummer, who has long set up camp in Berlin, has gathered ample experience with large ensembles like the Jazz Big Band Graz, the Village Vanguard Orchestra or Bob Brookmeyer’s New Art Orchestra. There couldn’t have been any better recommendation for the singer, because it was clear from the start for Laura Winkler, that she wanted to look for new colors and new possible combinations for a large group. As if a natural conjunction of the contemporary possibilities of voice and jazz-orchestra wasn’t challenge enough, she also integrated violin and viola into her concept. Thereby she concerned herself much less with a continuous band-sound, than with the numerous opportunities of encounters that result from this constellation.
The Wabi-Sabi Orchestra seems like a large intersection in the middle of a large city, on which innumerous voices of different tongues meet and in dialog unleash new images, thoughts and ideas. At first the total topview onto the crossing is given, but quickly the ultimate sound dissolves into numerous episodes. Each and every one of these encounters has its time and then gets replaced by another occurrence. There are no solos in the typical sense, only at times a certain personality or grouping comes more into the foreground. A very busy image results from all these voices, which still, however, condenses into a strong narrative thread.
The main inspiration and starting point for Laura Winkler were the texts of the Japanese novel writer Haruki Murakami. She delved deeply into the balancing and at the same time unsettling language of the master storyteller, analyzed single words and word combinations, read forms out of the words, searched for adequate sounds and found them. In this way she extracted the lightness and heaviness from Marukami’s texts and translated them to pure emotion. She mixed her affinity towards the epic, stemming from previous work with big bands, with a new commitment to the spartanly basic. Every piece stands for a different aesthetic standard.
This great openness and mobility become especially noticeable in the use of Laura Winkler’s own voice. At times, the human voice in its thousand facets is the undisputed main instrument of the band, like in “Dance 1” and “Dance 2”. In many other pieces though, it is only one among the many timbres. The bandleader also appears as a vocalist throughout the album, but primarily fills the role of the composer, who knows well how to budget her capital and places no element of design over the others. The question, what serves the lyrics best, was always the main focus of the work.
Without exception, the musicians with whom she surrounds herself on “Paper Clips” are protagonists of the young and very young Berlin scene. A few among them, like the promising Icelandic guitarist Daniel Bödvarsson or the drummer Tilo Weber, already proclaimed as the great white hope, haven’t even finished their studies at the “Jazzinstitut Berlin”. Others like saxophonist Kati Brien, baritone saxophonist Viktor Wolf or vibraphonist Raphael Meinhart, are currently in the process of making themselves essential to the young Berlin jazz-scene. The oldest hand of the herd is the bassist Oliver Potratz, who has already made a name for himself playing with Daniel Erdmann, Arne Jansen, Kalle Kalima and Carsten Daerr.
Laura Winkler’s finely nuanced music is coherent down to the last detail. Only the band name seems to be sort of a discrepancy to the cleverly devised concept. Wabi-Sabi sounds like razzmatazz or similarly fleeting party amusements, which are not served by Laura Winkler’s profound and acutely reflected music. But the phonetic appearance is deceiving. Wabi Sabi is Japanese and means something like “the beauty of the frugal”. Laura Winkler carried this motto in herself for a long time and on “Paper Clips” she finally finds the possibility to implement this maxim.