Release October 06, 2017
EAN/UPC: 705304465127
Traumton CD: 4651
Lineup
Patty Moon: vocals, piano, toy piano
Carles Civera: violin Yu-Chin Huang: violin Susanne Sophie Müller: viola Sofia Ogaz Gonzáles: violoncello Ignazio Fernández-Rial Poztela: double bass Sina Glöckle: horn Oliver Albert: horn Ingo Rau: bass Grischa Brand: drums
All songs written by Patty Moon
Published by Traumton Musikverlag
Produced by Ingo Rau, Roland Schneider and Patty Moon
Recorded, mixed and mastered by Ingo Rau und Roland Schneider at AMPS Factory Studios Freiburg
Strings recorded alt Musikhochschule Freiburg – Filmmusik by Pablo Beltrán and Carlos Cardenás Drums, toy piano, Kimi, air pump and pots recorded by Grischka Brand
Info / Info english
Patty Moon – Head for Home
Ginge es nach den bisherigen Reaktionen von Presse und Publikum, hätte das neue Album von Patty Moon schon längst erscheinen sollen. Immerhin wurde bereits die zweite CD Lost In Your Head 2008 allseits hochgelobt. Der Stern bezeichnete die Produktion als „magisch“, der Kritiker der Jazzthetik beschrieb sie als „echtes Gesamtkunstwerk“ und das HiFi-Magazin Audio zeigte sich vom „filigranen Folk-Pop“ begeistert. Das Tango-angehauchte Stück Straight Alone fand den Weg in Wolfgang Murnbergers Film Mein bester Feind mit Moritz Bleibtreu. Zwei Jahre später schrieb Patty Moon gleich drei Stücke für Hans W. Geissendörfers Kino-Produktion In der Welt habt ihr Angst mit Anna Maria Mühe und Axel Prahl. Patty Moons drittes Album Mimi And Me wurde 2011 erneut gefeiert, zumal es teilweise mit Melodien überraschte, die unaufdringlich-elegant ins Ohr gingen. „Ein Wunderwerk, in dem man Elfen tanzen hört“ jubelte die Hörzu und Melodie & Rhythmus befand: „rätselhafte, herrliche Musik, die einer Kate Bush oder Tori Amos […] an Originalität in nichts nachsteht“.
Head For Home knüpft nun daran an und zeigt gleichzeitig neue Facetten. Die nachdenkliche Haltung ist noch da, ebenso wunderbar atmosphärische Arrangements mit kammermusikalischen Streichern und die für Patty Moon typische, bildgewaltige Poesie. Vielleicht sind ihre Melodien heute noch etwas traumverlorener, erscheinen zusammen mit manchen Harmoniewechseln bisweilen wie eine Schwarzwälder Antwort auf isländische Pop-Melancholiker. Schnell fällt auf, dass die Musik heute noch sparsamer und persönlicher klingt, näher an der Sängerin und am Hörer zu sein scheint als zuvor. Ähnlich einem Club-Konzert, bei dem die Künstlerin keine drei Armlängen entfernt sitzt und ganz direkt, ohne elektronische Effekte, beim Publikum ankommt.
Das bringt uns auf die Veränderungen bei Patty Moon. Aus dem ehemaligen Duo- ist ein Solo-Projekt geworden. Was zur Folge hat, dass neben den Kompositionen und Songtexten nun auch Arrangements und Produktion weitgehend von Patty Moon verantwortet werden. Als sei diese Herausforderung noch nicht genug, kümmert sie sich alleinerziehend um ihre fünfjährige Tochter. Das alles braucht Zeit, soll die Qualität keinen Schaden nehmen. „Ich habe oft nachts an den Stücken gearbeitet oder zu Kindergartenzeiten“, erzählt Patty Moon, „im Idealfall kamen so zwei bis drei konzentrierte Stunden zusammen.“ Ohne ihren langjährigen musikalischen Partner fließen nun einige Aspekte fokussierter in die Songs. Ein Faible für verschattete Töne hatte Patty Moon schon immer, wobei Melancholie nicht mit Trauer oder gar klagender Melodramatik verwechselt werden darf. Davor schützen Patty Moons Klaviermotive, die auch von Yann Tiersen sein könnten, und natürlich ihre glockenklare Stimme, der tremolierendes Pathos fremd ist. „Die Songs klingen jetzt genau so, wie ich sie in meinem Kopf gehört habe. Und die jeweiligen Stimmungen sind präsenter, klarer, weniger durch Produktionsdetails verkleidet als früher.“
Auch wenn Patty Moon vieles in die eigenen Hände genommen hat, beispielsweise auch die verschiedenen Stimmen der zart-romantischen Streicher am Rechner vorbereitete, wollte sie Head For Home nicht völlig im Alleingang aufnehmen. Neue Kollaborateure fand sie in der näheren Umgebung. Geigen, Bratsche, Cello und Kontrabass kommen von der Freiburger Hochschule, sie nehmen neben Partty Moons Flügel eine zentrale Rolle ein. Punktuell leuchten weitere Instrumente auf. Zwei Hörner, Bass und Schlagzeug liefern relativ vertraute Sounds, singende Gläser oder Beatboxing sind da schon unkonventioneller. Absichtlich hat Patty Moon gewisse Unschärfen zugelassen. „Der Flügel ist schon sehr alt, deshalb machen das Pedal und eine Taste ein paar Geräusche“, lacht Patty Moon. „Das ist natürlich nicht perfekt, aber ich finde, es gibt dem Ganzen eine liebevolle Note.“ Auch ihr klackernd-klimperndes Spielzeugklavier würde man kaum auf anderen Platten hören. Außergewöhnlich ist die Idee, das mechanische Ticken eines medizinischen MRT als Symbol für die ständige Unruhe im eigenen Kopf einzusetzen. Oder das Geräusch eines kreiselnden Topfs als Antwort auf die Frage: welche Töne macht die Welt, wenn sie sich dreht? Um alle individualistischen Sounds zu entdecken, muss man recht genau hinhören, denn vieles passiert im Hintergrund. Ziemlich offensiv ist dagegen der von Shane Brady für Human kreierte Chor. „Ursprünglich hatte ich gedacht, an dieser Stelle ein Jodel-Ensemble einzubauen, das ein arabisches Klagelied singt“, grinst Patty Moon. Stattdessen fand sie den Iren Brady, dessen Phrasierungen nun für einen flüchtigen Moment an mystischen Quawwali-Gesang erinnern.
Patty Moon ist ein Naturmensch. „Die vielen Eindrücke in Großstädten überfordern mich“, stellt sie fest, weil es in ihrem Hirn ohnehin ständig arbeite. Auf dem Land findet sie Ruhe, erfreut sich an Feldern und Seen rund um ihren Wohnort am Kaiserstuhl. Aufgewachsen ist sie buchstäblich im Wald, rund drei Kilometer vom nächsten Dorf entfernt. Das Gefühl des Alleinseins ist ihr vertraut, schon früh hat sie es durch erfundene Geschichten kompensiert. Viele ihrer aktuellen Songs sind nicht als gradlinige Erzählungen angelegt. Lyrische und ausdrucksvolle Metaphern lassen in andere Welten eintauchen, Filme im Kopf entstehen. Manche Texte betrachtet sie „als eine Form von Wahrheit, eine kleine Offenlegung“, etwa wenn es um Ängste, Schmerzen und Kämpfe mit den eigenen Dämonen geht. Es gibt aber auch viele Lichtblicke und von Erlebnissen genährte Hoffnung. Dass ihre Hörer vielleicht nicht alle Details der Texte erfassen, empfindet Patty Moon als Chance. „Ich verstehe auch nicht sämtliche Bilder von Kate Bush oder Peter Gabriel“, sagt sie, „aber die großen Zusammenhänge kommen erfahrungsgemäß immer an. Und sie können neue, eigene Vorstellungen hervorrufen.“
Der Albumtitel, Head For Home, hat für Patty Moon eine doppelte Bedeutung: den Weg nach Hause ansteuern und im Kopf daheim sein. „Songs sind für mich die einzig wahre Art, mich auszudrücken. Für manche Zeiten und Seelenzustände sind sie mir sogar ein Zuhause. Und wo entstehen Musik und Text, die sich ergänzen und verschmelzen? Natürlich im Kopf.“ Dass sie ihre Gedankenwelten in englische Wörter transferiert, hat mit der eigenen Geschichte und Hörgewohnheiten zu tun. „Ich bin mit englischsprachiger Musik aufgewachsen, die Sprache lässt mich auch in den Kompositionen kreativer sein.“
Schon 2011 lobte ein Kritiker der FAZ die Zeitlosigkeit von Patty Moons Stücken, „die sich nicht an die Fersen eines Trends heften.“ Und er fuhr fort, „nicht zuletzt dank der englischen Texte erscheint das Trio im besten Sinne europäisch.“ Beides gilt weiterhin, auch für die aktuelle Patty Moon. Ein weiterer Aspekt ist bei Head For Home offenkundiger denn je: gute Songs berühren ihr Publikum immer, ob in sparsamen oder opulenten Arrangements. Das neue Album von Patty Moon beweist exemplarisch, wie sich ausgesuchte musikalische Mittel und bildhafte Poesie zu enormer Intensität verdichten lassen.
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Patty Moon – Head for Home (english)
If it had been up to previous reactions of press and audiences, Patty Moon’s new album would have been released long ago. After all, the second CD Lost In Your Head had already been highly praised by everyone back in 2008. Stern magazine characterized the production as “magical”, the critic of Jazzthetik described it as a “genuinely complete artwork” and the hi-fi magazine Audio showed great enthusiasm for the “filigree folk-pop”. The tango-inspired piece Straight Alone found its way into Wolfgang Murnberger’s film Mein bester Feind [My Best Enemy] with Moritz Bleibtreu. Two years later Patty Moon wrote three pieces for Hans W. Geissendörfer’s cinema production In der Welt habt ihr Angst [You’re Afraid In the World] with Anna Maria Mühe and Axel Prahl. Patty Moon’s third album Mimi and Me in 2011 was also highly acclaimed, particularly since it surprises with melodies that are unobtrusively, elegantly catchy. “A miracle work in which you hear the elves dancing”, Hörzu magazine jubilated and Melodie & Rhythmus deemed it “enigmatic, magnificent music that is no less original than that of a Kate Bush or Tori Amos.”
Head for Home builds on this and simultaneously exhibits new facets. The thoughtful attitude is still there, just like the wonderfully atmospheric arrangements with chamber music strings and the Patty Moon-typical pictorially stunning poetry. Maybe her melodies are a little dreamier nowadays and together with certain harmonic changes they occasionally seem like a Black Forest response to Icelandic pop-melancholies. It quickly becomes apparent that the music sounds even more minimalistic, more personal than before and appears to be closer to the singer and the listener. Similar to a club concert, where the artist sits some three arm-lengths away from the audience, it comes across very directly, without any electronic effects.
The former duo project has since become a solo venture. This entails that in addition to composition and lyrics, Patty Moon is now also largely responsible for arrangements and production. Although Patty Moon has taken a lot into her own hands, for example preparing the various parts of the delicately romantic strings at the computer, she didn’t want to record Head for Home completely single-handedly. She found new collaborators in her close proximity. The string section is coming from the Freiburg conservatory and plays a central role alongside Patty Moon’s piano. Two horns, bass and drums provide relatively familiar sounds, while singing glasses or beat boxing are a bit more unconventional. Patty Moon deliberately allowed certain untidiness. “The piano is very old and hence the pedal and one key make some noises,” Patty Moon laughs. “Of course that is not so perfect, but I find that it gives the whole thing a loving touch.” Also her clattering, jingling toy piano would scarcely be heard on other records. Another unusual idea is using the mechanical ticking of a medical MRT as a symbol for the constant restlessness in one’s own head. Or the sound of a spinning pot as an answer to the question: which sounds does the world make when it spins? To discover all of these sounds however, you need to listen quite closely, since many things happen in the background to conjure atmosphere.
The album’s title, Head for Home has a double meaning to Patty Moon: to direct your path towards home and to be at home in your head. “For me, songs are the only true way to express myself. For certain times and soul states they are even a home to me. And where do music and text develop, coalesce and merge? In the head of course!”
In 2011 a critic of the FAZ already praised the timelessness of Patty Moon’s pieces, “which don’t stick to the heels of trends.” He continues, “not least due to the English texts, the trio appears European in the best sense.” Both statements still hold true for the current Patty Moon. On Head for Home another aspect is more evident than ever: good songs always move the audience, whether in minimalistic or opulent arrangements. Patty Moon’s new album exemplarily proves how sought out musical methods and vivid poetry can be concentrated to enormous intensity.