Release April 08, 2016
EAN/UPC: 705304463123
Traumton CD: 4631
Lineup
Florian Favre: piano Manu Hagmann: double bass Arthur Hnatek: drums
All music wirtten by Florian Favre, published by Traumton Musikverlag
Recorded, mixed and mastered by Wolfgang Loos at Traumton Studios, Berlin
Produced by Wolfgang Loos
Info / Info english
Florian Favre Trio – UR
„Ein echter Hochkaräter der nicht nur Spass macht, sondern auch jede Menge Überraschungen bietet.“ (Jazz Podium)
Verglichen mit ihrer Größe und Einwohnerzahl bringt die Schweiz seit Jahren bemerkenswert viele Jazztalente hervor. Und nicht wenige der dortigen Musiker eröffnen dem Genre durch individuelle Ideen neue Perspektiven. Ideen, die ansehnliche oder wunderbare Blüten treiben können, weit von den amerikanischen Wurzeln entfernt. Florian Favre, 1986 in westschweizerischen Fribourg geboren, gehört zu diesen hellsichtigen Charakteren. Wie viele seiner Generation ist er offen für unterschiedliche Stile, weiß sie aber genau zu sortieren und pointiert zu verarbeiten. Favres variable Kompositionen mögen zuweilen Einflüsse von europäischer Klassik, Rock oder Elektronik ahnen lassen, finden letztlich aber immer zu einer individuellen Sprache. So wirkt seine Musik gleichermaßen fokussiert und einem Generationen übergreifenden Publikum zugewandt. Zumal der reflektierte Pianist und Komponist nicht im Elfenbeinturm sitzen mag. Die Kommunikation mit den Zuschauern ist ihm ebenso wichtig ist wie das intuitive Verständnis innerhalb der Band. Hier wie da entstehen eindrucksvolle Funkenflüge, ganz ohne vordergründige musikalische Zitate.
Favres Naturell neigt eher zu Humor als zu großen Gesten. In seiner Musik flirtet er gern mit Unvorhersehbarem, schätzt gegen den Strich gebürstetes. Bisweilen spielt er sich mit seinem Trio scheinbar selbst in Ekstase, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Tempi oder Rhythmen können unerwartet wechseln, wuchtige Drum-Hiebe und hart angeschlagene Bass-Figuren die Dynamik zuspitzen, während Favres rechte Hand hakenschlagend durch Oktaven springt. Am anderen, lyrisch-kontemplativen Ende des Spektrums finden sich fein ziselierte Passagen, in denen die Musiker subtil mit Klangfarben spielen. Unverkennbar legt Favre viel Wert auf eine durchdachte, stimmige Dramaturgie, die Intuition und Intellekt ausbalanciert. Schönheit lässt sich auch im Einfachen finden, meint er, solange es nicht naiv wird. Andererseits interessiert ihn Virtuosität nur, wenn sie etwas auszusagen vermag. „Ich kann als Komponist extrem komplexe Dinge zu Papier bringen“, sagt Favre, „aber sie ergeben keinen Sinn, wenn ich sie später beim Spielen nicht innerlich hören kann. Weil dann beim Improvisieren nichts entsteht.“
Mit acht Jahren begann Florian Favre, klassischen Klavierunterricht zu nehmen. Sein Vater war Komponist einer Blaskapelle, hatte aber mit Jazz nichts im Sinn und so entdeckte Favre erst als Zwölfjähriger Blues-Skalen, die ihn bald zum Jazz wechseln ließen. Mit 21 hatte er ein Diplom mit Auszeichnung des Konservatoriums Fribourg in der Tasche und wechselte nach Bern, um an der dortigen Hochschule der Künste weiter Jazzpiano sowie Komposition zu studieren. In dieser Zeit beschäftigte er sich auch wieder intensiv mit klassischer Musik. Heute sagt Favre, dass er sich in bestimmter Hinsicht Strawinsky und Ravel verbunden fühlt, „besonders ihrem Gespür für Klang.“ 2008 gründete Favre sein Quartett Help!, mit dem er alsbald erste Auszeichnungen erhielt und zwei Alben veröffentlichte. 2012 war er mit Stephan Eicher und dem Spoken Poetry-Künstler Kutti MC auf Tournee, mit letzterem arbeitet Favre bis heute. Zu seinen Kooperationspartnern gehören auch die Sängerinnen Ann Malcolm und Pamela Mendez, zudem komponiert er für das Fribourg Jazz Orchestra. 2012 gewann Favre die „International Jazzhaus Piano Competition“ in Freiburg im Breisgau. Nach Abschluss seines Masters (unter anderem bei Django Bates) hielt sich Favre eine Weile in New York auf. Sein Esprit beeindruckt selbst weit gereiste amerikanische Kollegen. So wurde Favre einmal von Joshua Redman auf die Bühne gebeten, nachdem der Schweizer das Konzert des Saxophon-Stars eröffnet hatte. Redmans öffentliches Lob würde wohl viele rot werden lassen: „He has something really, really special that blew us all away.”
Sein Trio funktioniert, sagt Florian Favre, als Kollektiv und wie ein Organismus. Der intuitive, von einer natürlichen Präzision durchdrungene Fluss der Musik und die Gleichberechtigung der Instrumente sind nicht zu überhören und machen einen großen Teil der Magie der Band aus. 2011 wurde sie von Favre gegründet, 2013 kam der sechs Jahre ältere Kontrabassist Manu Hagmann dazu. Er hat ebenfalls in Bern studiert und bereits eine vielfältige musikalische Geschichte. 2007 gewann Hagmann mit seinem damaligen Quartett Red Planet den Wettbewerb „Tremplin Lémanique“ des Montreux Jazz Festivals. Weitere Auszeichnungen folgten, etwa mit der Jean-Lou Treboux Group bei den Stanser Musiktagen 2011 und mit der Band Orioxy, zu der neben anderen die Harfenistin Julie Campiche gehört. 2013 erhielt Orioxy den „Grand Prix“ der Avignon International Jazz Competition. Mit beiden Projekten nahm Hagmann jeweils zwei Alben auf, spielte bei Festivals und in mehreren europäischen Ländern.
2015 eröffnete der viel gefragte Schlagzeuger Arthur Hnatek neue Dimensionen für das Favre Trio. Wie Hagmann stammt der Mittzwanziger Hnatek aus Genf, beide sind schon länger befreundet. Zwischenzeitlich lebte Hnatek in New York und absolvierte dort seinen Bachelor unter anderem bei Kirk Nurock und John Hollenbeck. Schon mit 16 war er zum ersten Mal in der Jazzmetropole, seinerzeit dank eines Stipendiums für ein Sommersemester am Drummer’s Collective. Mittlerweile ist Hnatek bei vielen großen Festivals aufgetreten (Montreux, North Sea, „La cité de la musique“ Paris, Montreal, Reykjavik) und hat auch als Elektronik-Musiker und Remixer gearbeitet. Mit Tigran Hamasyan spielte er dessen letztjähriges, gefeiertes Nonesuch-Album „Mockroot“ ein, mit Erik Truffaz dessen neues Werk „Doni Doni“. Beide Stars engagier(t)en Hnatek selbstverständlich auch für ihre Tourneen. Neben seinen vielen Einsätzen als Rhythmus-Rückgrat anderer verfolgt Hnatek auch eigene Projekte, etwa das Electro-Jazz-Quartett Melismetiq u.a. mit Shai Maestro. Darüber hinaus komponierte er im Auftrag von Festivals für Orchester, Bigbands und kleine Ensembles sowie für Filmproduktionen.
Schon das Debüt des Florian Favre Trios, T’inquiète pas, ça va aller, sorgte 2013 über die Schweizer Grenzen hinaus für Begeisterung. Verglichen mit den damaligen Stücken sind die neuen Kompositionen schlüssiger, findet Florian Favre. „Nach dem ersten Album habe ich mir viele Fragen gestellt und die Suche nach einer neuen Essenz als eine Art Reise empfunden. Diese Reise tragen nun alle Songs von Ur in sich.“ Der Album-Titel scheint ungewöhnlich, zumal bei einem Künstler, dessen Muttersprache Französisch ist. „Ich mag, dass man mit so wenig Buchstaben etwas so tiefes ausdrücken kann“, sagt Favre, der längst auch Deutsch beherrscht, „ich finde, das Wort hat Kraft und etwas echtes.“
Zwar komponiert Favre die Stücke alleine, lässt aber stets Räume für seine Bandkollegen. Etwa wenn sie im Proberaum gemeinsam neue Ideen oder Arrangements weiter entwickeln. Nicht nur live, sondern schon im Studio findet das charismatische Trio immer wieder zu interessanten Improvisationen. Dabei konzentrieren sich alle erfolgreich darauf, mit rein akustischen Mitteln individuelle Klänge zu kreieren. Verdichtet wird die Spannung durch das Gespür Favres und seiner Partner für infizierende Grooves und rhythmische Wendungen. Selbst in energiegeladenen Momenten bleiben sie auf dem Terrain des Jazz, verirren sich nie auf das dünne Eis plakativer Effekte. So zeigt das Florian Favre Trio eine erstaunlich perfekte Mischung aus Spielfreude und Treffsicherheit, juvenilem Verve und abgeklärter Souveränität.
„Favre hat eine Vorliebe für eine farbenprächtige Harmonik, die er jedoch stets aufs Neue in Brand setzt, um ad hoc dem Verlauf seiner Akkorde neue Richtungen zu geben.“ (Jazz Thing)
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Florian Favre Trio – UR (english)
Right from the start the press in both Switzerland and Germany was in agreement: pianist Florian Favre is inventive and charming, highly talented and artistically willful. Born and raised in Fribourg in western Switzerland, Favre first studied piano and then composition in Bern, where he also founded his trio in 2011. In 2013 bassist Manu Hagmann joined the group and on drums there was another change prior to the latest album – but more on that later. As the sole composer, Favre, now 31 years old, carries the greatest part of artistic responsibility, even though he always leaves a lot of space for his partners. Favre’s pieces have thus far been characterized by “colorful harmonies” (Jazz Thing) and an open mind, their melodies often charged with rhythmic sophistication and spontaneous interactions that increase the intensity even more. Various awards, like the 1st prize at the International Jazzhaus Piano Competition 2012 in Freiburg im Breisgau, attest Florian Favre’s quality. Colleagues value him as a brilliant and equally pleasant fellow player.
A lot has happened since the widely acclaimed album Ur, which was released in April 2016. The trio celebrated great successes at festivals (including Amersfoort Jazz (Netherlands), Jazz à Vienne (France), Palatia Jazz and Ethno Jazz Festival Dushanbe (Tajikistan)), they can enjoy priority sponsorship by Pro Helvetia until 2019 and they won the B-Jazz International Contest as part of the Leuven Jazz Festival in Belgium. Favre himself was honored with a scholarship, which will bring him to New Orleans and New York to compose a piece for jazz trio and orchestra.
But before, Florian Favre presents the next work of his sophisticated trio, without any guest features or electronic flavor enhancers. The title On a Smiling Gust of Wind already signalizes airy, positive moods. “I have the feeling, the band was truly flying during this recording,” Favre explains, “and that we played in an easy, relaxed and sincere manner; just as if a gust was giving us tailwind.”
Already on the previous album Ur, there was an understated easiness, but it is even more present and catchy now. Besides Favre’s radiant playing, inspired also by European Classical music, a deliberate, compositional clarity is the second pervasive characteristic. In comparison to earlier productions, he placed greater value on spontaneous inspirations, Favre says, and accepting emotions and simple ideas without abstracting them too strongly. To him it’s about an unpretentious beauty that he himself hears and feels in soulful and uplifting music. Not designed as a counter model to intellectually loaded constructs, but rather as a consciously alive expression. The trust in his own instinct might also have to do with Favre’s personal happiness. Why should only pop musicians be allowed to express the euphoria of new love in elevating songs?
Humor is part of Favre’s nature anyway, just like a subtle way of playing around with different influences. The awareness for sound of Ravel and Stravinsky fascinates him just as much as the vigorous emphasis of rock bands and electronic sounds. Favre only employs the latter in other projects; in this respect he explicitly separates. What he doesn’t like at all is the artistic ivory tower. Communication within the band and with the audience is important to Favre. On stage he always appears responsive to both and avoids bold gestures or even superficial borrowing. That’s also why Favre’s music seems so focused – now probably more than ever before.
At the age of 8 Florian Favre began taking Classical piano lessons; four years later he discovered blues scales and soon after, jazz music. At the conservatory in Fribourg he graduated with 21 and everything else developed in Bern. In 2008 he founded the quartet Help!, in 2012 he was on the road with the song-poet Stephan Eicher and the spoken poetry artist and author Kutti MC, alias Jürg Halter. After completing his piano masters degree (studying with Django Bates among others) Favre stayed in New York for a while. His skill impressed even prominent colleagues. Joshua Redman once asked Favre on stage after the Swiss had opened a show for the saxophone star. Redman’s announcement: “He has something really, really special that blew us all away.”
Bassist Manu Hagmann also studied in Bern and already has a multifarious musical history. In 2007 he won the contest Tremplin Lémanique of the Montreux Jazz Festival with his quartet the time, Red Planet. Further awards followed, for example with the Jean-Lou Treboux Group at the Stanser Musiktage 2011 [Stans Music Days] and with the band Orioxy, with the harpist Julie Campiche. In 2013 Orioxy was awarded the “Grand Prix” of the Avignon International Jazz Competition. With both projects Hagmann recorded two albums each, played at festivals and in many European countries.
Now we can present the new drummer of the band: Arthur Alard, 28 years old, from Paris. They met at the aforementioned B-Jazz Contest, where Alard performed with Laurent Coulondre. “There was a jam session after the contest, where Manu and Arthur played together for the first time. This worked out great right away. Later we needed a drummer for a Belgium tour and I asked Arthur, without ever having played with him myself. He came and had learned all the pieces by heart from the record and in the first concert already, he understood at any time where I want to go.” Favre downright raves about the new third man: Alard masters many styles, is well versed in various genres, serves the music and melts together with the band sound. How perfectly the communication works within the band is revealed in one example. “I wrote the piece ‘Nanomélie’ in the night before the last studio day. When we had finished recording everything, I put down the sheet music in front of the guys and we only played four takes.” Favre is glad that this piece also made it onto the record, because in his eyes it is symbolic for simplicity and “hopeful music”.
“The new album sounds like me more than ever,” Florian Favre sums up. “It reflects character traits that my friends know of me, but others may not.” Furthermore, the pianist finds that the pieces have a strong relation to each other. Indeed, On a Smiling Gust of Wind appears cohesive and round, accessible and entertaining in a subtle way: jazz with its finger on the pulse of time, with a strong personal note and a great potential of making many friends, also outside of the jazz circle.