Release November 04, 2016
EAN/UPC: 705304463826
Traumton CD: 4638
Lineup
Heinz Ratz: Gesang/Bass Enno Dugnus: Klavier/Keyboards Ingo Hassenstein: Gitarre Arne Assmann: Saxophon/Querflöte Burkard Ruppaner: Schlagzeug
Gäste:
Maria Schneider: Gesang, Marimba & Triangel Rabea Bollmann: Gesang, Violoncello Luca Seitz: Bass, Sopran-Bass und Schlagzeug Ruben Röh: Banjo und Gitarre
Music & words: Heinz Ratz, except 12 Luca Seitz
All titles published by Traumton Musikverlag
Recording: Steffen Lütke, Fattoria-Studio, Osnabrück
Mix: Detlef Wiedeke, Vintage-Music-Studio, Estorf
Mastering: Manfred Faust, Faust am Fleet Studio, Hamburg
Illustrationen: Reinhard Kleist | Artwork: Anni Buhl
Strom & Wasser – Herzwäsche
„Ich hatte gar nicht vor, eine neue CD zu machen. Aber ich spürte: da brodelt genug im Herzen, um es frei zu lassen. Als dann das Tonstudio überraschend einen Termin anbot, nahmen wir die Gelegenheit war und spielten das neue Album ein.“ Soweit Heinz Ratz zur etwas überfallartigen Veröffentlichung von Herzwäsche. Immerhin ist erst Anfang des Jahres seine CD Reykjavik mit isländischen Musikern erschienen. Dass Ratz angesichts der politischen Ereignisse in Deutschland nicht viel länger schweigen würde, war indes zu erwarten. Schon 2006 hatte er bei einer gemeinsamen Tournee mit Konstantin Wecker auf die wachsende Neonazi-Szene aufmerksam gemacht. Damals stieß ihr Engagement in bestimmten Kreisen auf Ablehnung. So sagte der Landrat in Halberstadt auf Druck der NPD das Konzert der beiden Künstler ab. In Hoyerswerda erklärte man, keine Neonazis mehr in der Stadt zu haben. Nun reanimieren Ratz und Wecker ihren Kampf gegen Rechtsradikalismus und weiten ihn aus. Unter anderem mit dem soeben gegründeten Büro für Offensivkultur, BOK. Dazu weiter unten mehr.
Bleiben wir zunächst beim neuen Album. Ratz und seine Band Strom & Wasser beziehen wieder mal entschieden Stellung und lassen es musikalisch heftiger denn je krachen. Harsche Riffs und treibende Beats vermitteln zusammen mit Ratz‘ insistierend herausgestoßenen, manchmal theatralisch intonierten Zeilen mehr als nur Entschlossenheit. Eine gewisse Wut im Bauch ist offenkundig und soll auch nicht kaschiert werden. Für Abwechslung und Kontraste sorgen Ska- und Reggae-Rhythmen, Disco- und Folk-Anklänge, Funk-Bass und -Saxophon oder kantige Cello-Phrasen. Ebenso ein Musette-Akkordeon, das sich an überraschenden Stellen einmischt. Selbstverständlich weiß das Kern-Quintett mit seinen diversen Gästen Dynamik zu erzeugen. Etwa in jähen Breaks oder dem Wechsel von eruptiven Refrains und ruhigeren Strophen. In manchen zurückgenommenen Passagen, etwa im Song Schönheit in A-(lt)-Dur, kann Ratz‘ Raustimme sogar einen zärtlichen Tonfall annehmen.
Verglichen mit anderen Liedermachern sind Heinz Ratz und Strom & Wasser Rocker. Ihr Mix aus bissigen Texten und Partygrooves ist speziell. Mancher kabarettistische Ulk zeigt Humor, gnadenlose Abrechnungen mit reaktionären und rassistischen Auswüchsen der Gesellschaft bringen Unbehagen deutlich auf den Punkt.
Sie haben simple Worte
und ein konsequentes Wesen
die Weisheit hinterm Rednerpult,
klang gestern hinterm Tresen!
Dazwischen findet Ratz aber auch poetische Zeilen:
Die feinen Blumen spielen keine Rolle,
sie stehen abseits, schön und unbestimmt,
zartgliedrige und farbenvolle
Blattseide oder Blütenwolle –
während das Unkraut sich den Garten nimmt.
Schon früher haben Strom & Wasser ihren Worten auch Taten folgen lassen. Man erinnere sich nur an die Besuche in Asylbewerberheimen, die zum vielfach ausgezeichneten Projekt The Refugees führten. Oder die Aktionen gegen Obdachlosigkeit und Umweltverschmutzung, bei denen Ratz diverse Male durch Flüsse schwamm. Mit der aktuellen Tour geht die Gründung und Publizierung des BOK einher.
Das Büro für Offensivkultur www.offensivbuero.de
„An Unmenschlichkeit aber darf man sich niemals gewöhnen“, halten Heinz Ratz und Konstantin Wecker fest. Das von ihnen initiierte BOK soll zum bundesweiten humanistischen, antifaschistischen und pazifistischen Netzwerk werden und Musiker, Künstler, Veranstalter sowie lokale Vereine zusammenbringen. Als eine kreative Einsatztruppe, die innerhalb von 24 Stunden überall in Deutschland auf rechte Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Umweltdelikte reagieren kann. Das erste Zeichen des BOK setzten Ratz und Wecker beim diesjährigen Reeperbahnfestival. „Musik bringt Menschen zusammen, Kultur überwindet Barrieren“, ist Ratz überzeugt.
Das BOK soll sich auf der Basis von Spenden, Sponsoren und Eintrittsgeldern finanzieren. Wenn irgendwo, möglicherweise besonders in kleineren Städten mit weniger ausgeprägten alternativen Infrastrukturen, Not am Mann ist, können interessierte Aktivisten bei der Initiative anfragen. Sie wird unbürokratisch und in kurzer Zeit Mittel und Wege finden, um ein wirkungsvolles Team von Künstlern aus den Bereichen Musik, Theater und Kabarett zu organisieren, ggf. darüber hinaus auch Bühnentechnik. Dabei sollen die Künstler nicht auf Gage verzichten müssen und die anfragenden Initiativen nicht von Zeit raubenden Geldbeschaffungsmaßnahmen blockiert werden. Das alles soll über das BOK geregelt und finanziert werden.
Die Konzerte der laufenden Strom & Wasser-Tournee dienen auch der Etablierung des BOK-Netzwerks. „Ich würde mich freuen, möglichst viele Unterstützer rund um unsere Auftritte begrüßen zu dürfen“, lädt Ratz ein. „Dabei können sich Vereine, Gruppen, Einzelpersonen angesprochen fühlen. Menschen, die im Notfall Übernachtungsplätze stellen können, Werbung machen, aber auch politische Gruppen, Journalisten, Veranstalter, Tontechniker, Technikverleiher, Rechtsanwälte, Netzwerkspezialisten, Männer und Frauen, die eine politisch neutrale Security bilden könnten – und natürlich Künstlerkollegen, Musiker, Kabarettisten, Clowns, Pantomime, Schauspieler, Artisten.“