Release January 31, 2020
EAN/UPC: 705304462324
Traumton CD: 4623
Lineup
Frederik Köster: trumpet, electronics Sebastian Sternal: piano, fender rhodes Joscha Oetz: double bass Jonas Burgwinkel: drums Tobias Christl: vocals on #9
All music composed by Frederik Köster
„Alone“ lyrics by James Joyce, music by Frederik Köster
All titles published by Traumton Musikverlag
Produced by Frederik Köster.
Recorded September 21-22, 2014 at Kammermusiksaal des Deutschlandfunks, Cologne
Sound Engeneer: Gunther Rose
Sound Technician: Kiwi Hornung
Recording Producer: Christian Heck
Radio Producer: Harald Rehmann
Mixed February 17-19, 2015 by Christian Heck at Tonart Studio, Kerpen
Mastered May 8, 2015 by Christoph Stickel at MSM Studios, Munich
Info / Info english
Frederik Köster / Die Verwandlung – Tension/Release
Vor drei Jahren präsentierte der Kölner Trompeter Frederik Köster das erste Album seiner damals neu formierten Band Die Verwandlung. Mit Pianist Sebastian Sternal und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel, deren eigene Produktionen jeweils schon einen Jazz-„Echo“ erhielten, sowie Bassist Joscha Oetz geht Die Verwandlung musikalisch in eine andere Richtung als Kösters vorheriges Quartett. Dieses brachte ihm bereits den Neuen Deutschen Jazzpreis sowie ebenfalls eine „Echo“-Auszeichnung ein, zudem internationale Konzerte von Mexiko über Indien bis zum North Sea Festival.
„Die Verwandlung ist in gewisser Weise komplementär zum Quartett“, erklärt der 1977 im Hochsauerlandkreis geborene Köster, „meine Idee war, mehr Facetten zu zeigen, freier mit den Kompositionen umzugehen und die Interaktion innerhalb der Band zu intensivieren.“ So tendiert die Band bewusst zu manchen Jazz-Idealen aus der Zeit vor „Bitches Brew“ und Fusion-Jazz. Zumal Kösters Trompetenspiel primär von Freddie Hubbards Sound und Stil inspiriert ist, während er an Miles Davis insbesondere dessen konzeptionelle Wandlungen und Relevanz als Gesamtkunstwerk schätzt. Ungeachtet aller Einflüsse klingen Köster & Co. originell und zeitgemäß, nicht zuletzt durch den sparsamen, pointierten Einsatz elektronischer Effekte. Anfangs lebte Die Verwandlung von der Frische und Spannung, die jeder neu zusammengestellten Formation innewohnt. Inzwischen haben die vier Persönlichkeiten zwischen Anfang 30 und Anfang 40 viel zusammen gearbeitet, neben gemeinsamer Spielfreude ein intuitives Einverständnis entwickelt. „Wir können uns immer noch gegenseitig überraschen“, konstatiert Köster begeistert und schätzt gleichzeitig das Vertrauen in die Partner, dass es ermöglicht, „Kontrolle abzugeben und sich beim Spielen fallen zu lassen.“
Das neue Album Tension/Release war schon länger geplant, musste aber einige Zeit verschoben werden, weil Frederik Köster 2013/14 ausgiebig mit Trilok Gurtu in Europa auf Tournee war. Die Warten wird belohnt. Tension/Release bietet viel Dynamik, einige unvorhersehbare Wendungen und unerwartete Eindrücke. Beispielsweise setzt sich Sebastian Sternal jetzt auch ans Rhodes Piano, das „etwas dreckiger klingt“ als der erhabene Flügel, so Köster. Der Bandleader greift seit längerem mal wieder zum Flügelhorn und erweitert dadurch das Klangspektrum. Es reicht nun von lyrischen Passagen über melodische, rundgeschwungene Töne bis zu weiten Bögen und strahlenden Modulationen, die fein ziseliert und gleichzeitig kraftvoll sein können.
Den Rahmen von Tension/Release bilden das melancholisch angehauchte „Opening“ sowie das ebenso knapp gehaltene, vielschichtige „Closing“. Mit beiden Skizzen verbeugt sich Köster vor Altmeister Kenny Wheeler, den er noch kurz vor dessen Tod getroffen hat. Das zweite Stück des Albums, „Shiva“, zeigt eine zunächst zurückhaltende, dann immer kräftiger zupackende Band und fesselt mit intensiver Dramaturgie. Köster intoniert variabel über ausgeklügelte rhythmische Strukturen, interessante Klaviermotive, zunehmend verwirbelte Drum-Patterns und markante Basslinien. Der intelligente Groove packt Musiker wie Hörer, Sebastian Sternal fliegt geradezu durch alle Register, Shivas mystische, universelle Energie scheint direkt in die Band zu fahren. Eine Atempause gewährt das melodische „Ocean Park“ mit langen Noten, subtilem Bass-Solo und insgesamt warm-timbrierter Ästhetik. Zwischen Eleganz und Offensive, Transparenz und Verdichtung changiert „The Void“; beinahe impressionistisch erscheint die Klavierfigur von „Saint-Brieuc“, zu der Burgwinkel seine Felle mit den Händen schlägt und Köster zunächst fast verwehende Töne haucht.
Der Name des Albums, Tension/Release, leitet sich von der gleichnamigen Komposition ab und spielt nicht nur auf musikalische Stilmittel an. „Spannung und Entspannung kommt natürlich im Jazz immer wieder vor, aber eben auch in anderen Teilen des Lebens“, sinniert Köster. Das Stück hat zwei kontrastierende Teile, einen eher melodisch-harmonisch orientierten und einen auf Rhythmus fokussierten. Zunächst atmosphärisch, mit gestrichenem Bass und perlenden Klavierfiguren, wird es durch offene Schlagzeugmuster langsam etwas konkreter. Nach einem Break verdichten sich die Beats, führen Köster und Sternal einen abstrakten Dialog, insistiert die Trompete ohne Schärfe in hohen Lagen. „Während ich das Stück schrieb ging mir durch den Kopf, dass das Leben generell nach diesem Prinzip funktioniert“, erzählt Köster, „alles hat zwei Seiten und es geht immer um Yin und Yang.“ Das gilt sogar für die Gottheit Shiva, die im Hinduismus für Zerstörung und Erneuerung steht.
Auch das aktuelle Repertoire ist größtenteils notiert, sagt Frederik Köster, „aber gute Musiker finden immer einen Weg, aus dem System rauszugehen und Konzepte über den Haufen zu werfen.“ Mit „Schaltjahr“ kam ausnahmsweise ein älteres Stück auf das neue Album, denn „es klingt in dieser Besetzung ganz anders und passt einfach zu unserem aktuellen Spielgefühl.“ Einen überraschender Effekt streut hier Sebastian Sternal ein, indem er gleichzeitig in die Tasten des Flügel und des Rhodes greift.
Wiederum enthält Tension/Release einen Song, gesungen von Tobias Christl. Diesmal hat Köster dafür ein Gedicht von James Joyce vertont. „Ich war schon immer Fan von guten Songs und Singer/Songwritern wie Bob Dylan und Joni Mitchell“, erklärt er. „Obwohl ich mit neun mit der Trompete anfing und zwei Jahre später klassisches Klavier dazu kam, habe ich später in Rock- oder Skapunk-Bands Gitarre oder Orgel gespielt.“ Konsequent beschäftigte er sich damals mit Pink Floyd und den frühen Genesis, dann mit Jeff Buckley, Rage Against The Machine und The Prodigy. Oder Bad Religion, „wegen der Songtexte“. Relativ spät wechselte Köster vollends in den Jazz, nachdem er bereits eine Weile klassische Trompete studiert hatte. Dennoch schreibt er weiterhin gerne Songs. „Ich weiß, dass ich kein besonders guter Texter bin. Deswegen komponiere ich lieber zu Poesie von Allen Ginsberg oder eben James Joyce.“ Als Komponist und Trompeter gehört Frederik Köster ohne Frage zu den interessantesten Charakteren seiner Generation.
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Frederik Köster / Die Verwandlung – Tension/Release (english)
Three years ago the trumpeter Frederik Köster from Cologne presented the first album of his then newly formed Band Die Verwandlung [The Transformation]. With pianist Sebastian Sternal and drummer Jonas Burgwinkel, who have both already received Jazz-Echo awards for their own productions, as well as with bassist Joscha Oetz, Die Verwandlung heads into a different musical direction than Köster’s previous quartet. The quartet already brought him the Neuer Deutscher Jazzpreis [New German Jazz Prize], an Echo award as well and international concerts from Mexico to India and at the North Sea Festival.
“In a certain way Die Verwandlung is complementary to the quartet”, Köster, born 1977 in Germany’s Hochsauerland region, explains, “my idea was to show more facets, to handle the compositions more freely and to intensify the interaction within the band.” In that way the band consciously tends towards jazz-ideals from the time before “Bitches Brew” and fusion-jazz. Particularly, because Köster’s trumpet playing is primarily inspired by Freddie Hubbard’s sound and style, whereas he appreciates Miles Davis specifically for his conceptual transformations and relevance as a total work of art. Regardless of all influences, Köster & Co. sound original and modern, not lastly because of the sparing, purposeful use of electronic effects. In the beginning Die Verwandlung was driven by the freshness and energy that is inherent in every newly created formation. Meanwhile the four gentlemen between their early 30s and early 40s have worked together a lot and besides the great joy in playing together, they have developed an intuitive mutual understanding. “We can still surprise each other,” Köster states enthusiastically and at the same time values the trust in his partners, that permits “surrendering control and just letting yourself fall while playing.”
The new album Tension/Release has been in planning for quite some time, but had to be postponed for a while, because Frederik Köster was touring extensively with Trilok Gurtu all over Europe in 2013/2014. The wait is rewarded. Tension/Release offers a great deal of dynamic and several unforeseeable twists and turns and unexpected impressions. For example, Sebastian Sternal also plays the Rhodes Piano, which “sounds a little more dirty” than the dignified grand piano, Köster says. After a long stretch of time the bandleader picked up the flugelhorn again and thereby also expands the sound spectrum. It now ranges from lyrical passages to melodically rolling sounds, all the way to wide arching developments and bright shining modulations that can be finely chiseled and powerful at the same time.
The melancholically tinged “Opening” and the equally curt, multi-layered “Closing” make up the framework of Tension/Release. With both of these sketches Köster is bowing to the old master Kenny Wheeler, whom he was able to meet shortly before his death. The second piece of the album, “Shiva”, exhibits an initially reserved, but then ever more forceful band and captivates with its intense dramaturgy. Köster intones variably over elaborate rhythmic structures, interesting piano motifs, increasingly swirling drum patterns and distinctive bass lines. The intelligent groove captures musicians and listeners alike, Sternal virtually flies through all registers, Shiva’s mystic, universal energy seems to be flowing directly into the band. “Ocean Park” allows a moment to breath with its melodic, long notes, subtle bass solo and an overall warm timbre. “The Void” changes between elegance and offense, between transparency and densification; the piano figure from “Saint-Brieuc” seems almost impressionistic, to which Burgwinkel strikes the drumheads with his hands and Köster aspirates light breezy notes.
The name of the album, Tension/Release, was derived from the composition of the same name and alludes not only to musical stylistic devices. “Of course tension and release occurs over and over in jazz, but also in other parts of life,” Köster ponders. The piece has two contrasting parts; one rather melodically/harmonically oriented and one focused on rhythm. At first atmospheric, with a bowed double bass and sparkling piano figures, it slowly becomes more concrete through the open drum patterns. After a break, the beats intensify and Köster and Sternal engage in an abstract dialog, the trumpet insisting without pungency in high range. “While I was writing the piece, it crossed my mind that life generally works according to this principle,” Köster tells, “everything has two sides and it’s always about Yin und Yang.” This is even true for the deity Shiva, who stands for both destruction and renewal in Hinduism.
The current repertoire is also mostly notated, Frederik Köster says, “but good musicians always find a way to break out of the system and throw concepts overboard.” “Schaltjahr” [leap year] is an older piece that made it onto the new album, because “it sounds quite different with these musicians and just suits our current sense of playing.” Here Sebastian Sternal intersperses a surprising effect by playing the grand piano and the Rhodes simultaneously.
And again Tension/Release includes a song sung by Tobias Christl. This time Köster set a poem by James Joyce to music. “I have always been a fan of good songs and singer/songwriters like Bob Dylan and Joni Mitchell,” he explains. “Although I started playing the trumpet when I was nine and then added classical piano two years after, I later played guitar or organ in rock and ska-punk bands.” Consequently he was into the music of Pink Floyd and the early Genesis at that time, then Jeff Buckley, Rage Against The Machine and The Prodigy. Or Bad Religion, “because of their lyrics.” It was quite late that Köster completely switched to jazz; after having studied classical trumpet for a while. Nevertheless, he still enjoys writing songs. “I know that I’m not a good lyricist That’s why I prefer composing to poetry of Allen Ginsberg or James Joyce.” As composer and trumpeter Frederik Köster is without question one of the most interesting characters of his generation.